Selbstorganisation und Teamwork im virtuellen Raum

Auf „Informatik Aktuell“ schreibt Isabelle Schemion in der Rubrik „Management und Recht“ über selbstorganisierte virtuelle Projektarbeit und ihre Erfahrungen mit Teamwork im virtuellen Raum. Isabelle Schemion ist seit 2015 für die Gesellschaft AviloX tätig und sagt von sich selbst, dass sie mit Leidenschaft im Webdesign und im agilen Projektmanagement arbeitet. Sie gilt in ihrem Arbeitsumfeld als Expertin für das gesunde Arbeiten im digitalen Raum.
Eine Frau mit Headset führt ein Videotelefonat.
Es gibt heute dutzende gute Tools und Programme, um digital zusammenzuarbeiten. Homeoffice, Projektteams, die tausende von Kilometern weit auseinander sitzen, Zusammenarbeit über verschiedene Zeitzonen hinweg - all das ist heute schon Realität. Viele Menschen, darunter auch Isabelle Schemion, sehen in der virtuellen Zusammenarbeit viele Vorteile. Arbeiten geht flexibler, von überall aus und (wer das möchte und keine Videocalls hat) sogar im Jogginganzug. Viele stellen sich die Frage: wer überprüft denn dann, wie viel jeder Einzelne arbeitet? Schemion verweist auf ein "gemeinsames Werteverständnis", aber auch auf die Tatsache, dass es heutzutage in modernen Unternehmen immer weniger darauf ankommt, wie viele Stunden und Minuten jemand tatsächlich pro Tag an einer Aufgabe sitzt, sondern darauf, wie gut sie am Ende erledigt wird. Vertrauen ist die Basis. Das kommt vielen seltsam vor, vor allem denjenigen, die in traditionellen Unternehmen mit traditionellen Strukturen arbeiten. Aber virtuelle Teams sind längst keine Seltenheit mehr. Immer mehr Unternehmen sehen auch Vorteile darin, ihre Mitarbeiter nicht mehr zwingend im Büro zu beschäftigen, sondern auf der ganzen Welt. Schließlich spart das Kosten für Büroräume und schafft zufriedene motivierte Mitarbeiter. Familien und Umwelt sind happy, weil Mütter und Väter zu Hause sind und weniger Abgase durch Pendelverkehr entstehen. Der Fachkräftemangel verstärkt den Trend zur Flexibilität der Unternehmen noch. Modern Recruiting wird das genannt. Virtualität ist im Grunde nur ein Nebenprodukt dieser Entwicklung. Glücklicherweise gibt es mittlerweile sehr gute Tools und Programme, die das gemeinsame Arbeiten in einem virtuellen Raum problemlos ermöglichen. Alles, was benötigt wird, ist ein Computer und eine schnelle Internetverbindung. 

Wie und warum funktioniert virtuelle Projektarbeit?

Wo ist der Haken?

Aber die virtuelle Projektarbeit hat nicht nur Vorteile. Sie ist auch nicht für jeden die ideale Arbeitsumgebung. Der Organisationsaufwand ist enorm. Eine digitale Plattform zum Arbeiten ist zwar die Basis, reicht aber selbstverständlich nicht aus. Technik ist sehr wichtig. Aber um eine sinnvolle und wertschöpfende Arbeit zu ermöglichen, müssen flexible Zusammenarbeitsstrukturen geschaffen werden. Das klingt etwas schwammig und bedeutet wohl in jedem Unternehmen etwas anderes, aber Schemion ist überzeugt davon, dass darin der Schlüssel zum Erfolg liegt. Sie betont, dass eine gewisse Arbeitskultur entwickelt werden muss. Es bringt also nichts, die neuen Strukturen einfach von heute auf morgen einzuführen und den Mitarbeitern zu präsentieren. Geld in eine passende Plattform zu investieren, ist zwar ein erster Schritt, aber nicht allein die Lösung. Es müssen mehrere Einweisungen in diese neue Technik erfolgen. Und das schwierigste ist wohl das Schaffen von passenden Teams, die mit dieser Arbeitsweise leben und umgehen können. Schemion nennt berühmte Hindernisse bei der Etablierung von virtuellen Arbeitsstrukturen. Die Unternehmenskultur ist oft ein Problem. Vorgesetzte sorgen sich zum Beispiel darum, wie sie wissen können, ob seine Mitarbeiter auch wirklich arbeiten. Mitarbeiter haben keine Lust auf eine neue Software und arbeiten lieber "so wie wir das schon immer gemacht haben". Mitarbeiter wollen ihr Wissen nicht mit allen teilen und möchten nichts ohne Freigabe online stellen, wo es jeder Kollege sehen kann. Es geht also hauptsächlich um die Einstellung der Einzelnen. Man muss die Schlange am Kopf packen: wenn der Chef die Plattform ablehnt, stehen die Chancen schon gut, dass sie letztendlich von niemandem wirklich genutzt wird. Die Führung eines Unternehmens muss 100% hinter der neuen Kultur stehen, sonst funktioniert die Entwicklung nicht. 

Wie kann es also gelingen?

Isabelle Schamion sieht den Schlüssel zum Erfolg virtueller und selbstorganisierter Zusammenarbeit nicht in der Technik, sondern in der digitalen Zusammenarbeitsumgebung. Es muss eine Übereinkunft zu gemeinsamen Werten gefunden werden und es müssen Arbeitsweisen gemeinsam definiert werden. Eine Fehlerkultur, mit der sich alle identifizieren können, muss bestehen. Wenn dann erst einmal alle die Vorteile der neuen Arbeitsweise erkennen, entsteht schnell eine Art der digitalen Kollegialität. Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrungen gibt Schemion dann Tipps: Sie schlägt vor, Projekte nicht der Abteilung zu geben, die dafür offiziell zuständig ist, sondern vielmehr den Mitarbeitern, die sich dafür begeistern und interessieren. Wer ein Projekt selbst ausgewählt hat, arbeitet in der Regel mit mehr Elan und auch Erfolg daran. Damit dies möglich wird, müssen Führungskräfte eine gehörige Portion ihrer Macht abgeben und Vertrauen üben. Schemion besteht auf der Transparenz als Erfolgsfaktor. Niemand soll für sich arbeiten, sondern immer alles sichtbar im Netzwerk tun. So wird vermieden, dass Fehler im Kleinen entstehen und immer größer werden, aber auch, dass Aufgaben unnötigerweise doppelt erledigt werden.

Außerdem erlaubt Offenheit einen besseren Überblick für alle. Der Haken hieran: jeder muss sich trauen, auch Unfertiges zu teilen und zu zeigen, was vielen schwer fällt. Zudem betont Schemion, dass in virtuellen Teams zwar viel Freiheit herrscht, dass aber innerhalb eines Projektes die Rollen unter den Teammitgliedern klar definiert sein müssen. Nur so kann zielführend gearbeitet werden, weil jeder weiß, was er zu tun hat und weil alle Aufgaben von jemandem übernommen werden. Der Gemeinschaftssinn spielt eine wichtige Rolle. Hier sind der Faktor Mensch und Menschlichkeit gefragt, was es leider nicht in jedem Team gibt. Egoisten sind keine beliebten Projektteammitglieder. Aber wer weist die Egoisten in ihre Schranken? Teambuilding kann helfen, ein Wir-Gefühl entstehen zu lassen. Es muss jeder darin unterstützt werden, sein Wissen zu teilen und auch aktiv nach dem Wissen anderer zu fragen. Auch dies fällt nicht allen leicht. Einer muss im Team die Organisation planen und die Meetings moderieren, die Deadlines beziehungsweise Zeitschiene im Auge behalten. Es braucht also immer einen Organisator, der gemeinsam mit allen die Zeitpläne macht. Um gute Zeitpläne zu machen, benötigt man Erfahrung und ein Gespür dafür, wie lange welche Aufgabe dauert. Ein erfolgreiches Team kann also nicht nur aus Newcomern bestehen. Nicht zuletzt muss auch eine Konfliktstruktur entstehen, die es ermöglicht, Konflikte auf umsichtige Weise zu lösen.
Autor: IAPM intern

Schlagworte: Homeoffice, Selbstorganisation, Virtuelle Teams, Projektmanagement

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