Die 9 Teamrollen nach Belbin

Eigentlich sollten die vorhandenen Kompetenzen bei der Auswahl des Projektteams ausschlaggebend sein, aber in der Praxis werden meist die Personen in das Projektteam aufgenommen, die gerade verfügbar sind. Dabei kann es sich durchaus um fähige Mitarbeitende handeln, denen lediglich eine Ausbildung im Projektmanagement fehlt. Eine ausreichende Projektmanagementqualifikation ist jedoch für die Bearbeitung von Projekten unerlässlich, da nur so Aufgaben und Tätigkeiten, die ein systematisches Vorgehen erfordern, bewältigt werden können. In relativ kurzer Zeit können diese Mitarbeitenden soweit qualifiziert werden, dass sie in der Lage sind, die Konzepte und Methoden des Projektmanagements zu verstehen und anzuwenden, aber dann geht es darum, in einem Projektteam zielorientiert und zuverlässig die geforderten Leistungen zu erbringen. Spätestens hier zeigt sich, dass neben Wissen und Erfahrung auch die Persönlichkeit des einzelnen Teammitglieds für die Leistung des Projektteams von Bedeutung ist. Hier setzt das Rollenmodell des Engländers Meredith Belbin an. Demnach ergänzen sich Menschen einerseits in ihren unterschiedlichen Kenntnissen, Fähigkeiten und persönlichen Eigenschaften, andererseits decken sie neun Rollen, im Sinne von Persönlichkeitsfeldern, ab.
Fünf Personen bei einem Geschäftstreffen.

Inhalt

Das optimale Team zusammenstellen

Ob ein Team „funktioniert“, hängt also nicht nur von der fachlichen Qualifikation und den Projektmanagementkenntnissen ab, sondern vor allem auch von der sozialen Kompetenz seiner Mitglieder. Der Begriff „soziale Kompetenz“ ist ein Sammelbegriff für menschliche Eigenschaften wie z. B. Selbstsicherheit, Selbstvertrauen, Selbstbehauptung, Kontaktfähigkeit, Einfühlungsvermögen, Durchsetzungsvermögen. Wer in der Lage ist, einen akzeptablen Kompromiss zwischen sozialer Anpassung und eigenen Bedürfnissen zu finden, aus nicht konformen Mitgliedern einer Gruppe ein Team zu bilden, Konflikte zu bewältigen oder einen Konsens zu finden, gilt im Projektmanagement als sozial kompetent.
Um ein gut funktionierendes Team zu bilden, nahm Belbin zunächst an, dass das Persönlichkeitsprofil von Teammitgliedern auf Eigenschaften beruht, die unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Um herauszufinden, wie sich die Zusammensetzung eines Teams aus verschiedenen Persönlichkeitstypen auf die Teamleistung auswirkt, führte er am Henley Management College Verhaltensanalysen von Teammitgliedern durch. Als Ergebnis konnte er Anfang der 80er Jahre in seinem Modell acht verschiedene Teamrollen identifizieren und nach weiteren Untersuchungen die Rolle des Spezialisten hinzufügen. Er definierte drei übergeordnete Kategorien, in die die neun Rollen fallen können:
 
  • Handlungsorientierung
  • Wissensorientierung
  • Kommunikationsorientierung
Damit gelang es ihm Wesenszüge zu strukturieren, Stärken und Schwächen zu identifizieren und Vorschläge für die Besetzung von Rollen in einem Team zu unterbreiten.

Die handlungsorientierten Rollen – Macher, Umsetzer, Perfektionist

Macher

Der Macher ist dynamisch, energiegeladen und ehrgeizig. Er konzentriert sich auf die wesentlichen Kernprobleme, übernimmt schnell Verantwortung und lebt dabei vom ständigen Druck. Er lehnt unklare und ungenaue Angaben und Aussagen ab, sucht deshalb nach Strukturen, formuliert Teilziele, sorgt für rasche Entscheidungsfindung und lässt Aufgaben sofort erledigen. Er fordert seine Kollegen und treibt sie an.
Er neigt jedoch zu Provokationen und gerät leicht in Streit mit seinen Teamkollegen, ist aber nicht nachtragend. Er wird vor allem von Außenstehenden als arrogant empfunden und sorgt durch sein hektisches Auftreten für Unruhe im Team. Sobald er eine Führungsrolle übernehmen muss, ist ein erhöhtes Maß an Kontrolle und Koordination erforderlich, was gerade diesem Rollentyp ein hohes Maß an Selbstdisziplin abverlangt.
Seine Rolle im Team? Als Verantwortlicher für ein Arbeitspaket ist er im Team einer unter Gleichen und hier, in einem Team von Gleichen, fühlt er sich wohl.

Umsetzer

Der Umsetzer ist gewissenhaft, zuverlässig und diszipliniert. Er arbeitet hart, effizient, systematisch und methodisch. Er steht immer auf dem Boden der Tatsachen und stützt sich auf Fakten, nicht auf Vermutungen. Er setzt Konzepte in umsetzbare Arbeitspläne um, braucht stabile Strukturen und arbeitet an deren Aufbau. Veränderungen steht er jedoch kritisch gegenüber und reagiert unflexibel auf neue Lösungsvorschläge.
Seine Rolle im Team? Er ist verantwortlich für die Definition klarer Ziele und die Strukturierung des Vorgehens.

Perfektionist

Der Perfektionist ist zuverlässig, gewissenhaft und sorgenvoll. Er achtet auf die Einhaltung von Fristen, achtet auf Details und vermeidet Fehler. Aus Sorge, etwas zu übersehen, prüft und kontrolliert er lieber selbst als zu delegieren. Er macht sich viele Gedanken über alles Mögliche, ist zu gewissenhaft und übergenau und verliert dann leicht den Überblick.
Seine Rolle im Team? Er ist als Mahner gefragt, wenn das Team zu oberflächlich arbeitet oder sich nicht an die Zeitvorgaben hält.

Die wissensorientierten Rollen – Neuerer, Beobachter, Spezialist

Neuerer

Der Neuerer ist introvertiert, kreativ und einfallsreich. Er ist der kluge Kopf, der auch schwierige Probleme lösen kann, da er durch seine unkonventionelle Art gut darin ist neue Alternativen zu finden.
Allerdings neigt er dazu, Details und Nebensächlichkeiten zu übersehen und macht daher Flüchtigkeitsfehler.
Seine Rolle im Team? Er ist der Problemlöser und entwickelt neue Strategien.
 
Beobachter

Der Beobachter ist vor allem sachlich, analytisch und nüchtern und introvertiert. Er verschafft sich einen Überblick aus der Distanz, berücksichtigt alle relevanten Möglichkeiten und kann so Ideen des Teams abwägen. Als Analytiker hält er sich aus praktischen Fragen heraus und meldet sich selten ungefragt zu Wort. Er kann zynisch, übertrieben skeptisch, taktlos und herablassend wirken. Er ist kaum in der Lage, andere zu motivieren oder inspirieren. Nach Kritik verliert er das Interesse.
Seine Rolle im Team? Er kann als Auditor oder Assessor eingesetzt werden, da er in einem Review den Raum findet, in dem seine Meinung gehört wird.
 
Spezialist

Der Spezialist ist engagiert und selbstbezogen, er arbeitet gerne ungestört. Er verfügt über umfangreiches Fachwissen, Hintergrundinformationen und Fähigkeiten, die den anderen Teammitgliedern fehlen und konzentriert sich auf den fachlichen Teil eines Projektes. Er formuliert allgemeine Aussagen fachlich korrekt und leistet den fachlichen Beitrag zum jeweiligen Thema. Er ist jedoch relativ desinteressiert am sozialen Geschehen im Projekt. Er neigt dazu, sich in technischen Details zu verlieren und leistet daher eher informative Beiträge, als auf das große Ganze einzugehen.
Seine Rolle im Team? Er bringt das notwendige Fachwissen ein und gleicht Informationsdefizite des Teams aus.

Die kommunikationsorientierten Rollen – Koordinator, Teamarbeiter, Wegbereiter

Koordinator

Der Koordinator ist zielstrebig, selbstbewusst, entscheidungsfreudig und kommunikativ. Er koordiniert den Arbeitsprozess, erkennt relevante Probleme und delegiert Aufgaben an die Kollegen, die sie am besten erledigen können, immer mit Blick auf die Ziele. Der Koordinator kann als manipulativ wahrgenommen werden. Dies kann dazu führen, dass sich Teammitglieder von ihm distanzieren, insbesondere auf persönlicher Ebene. Dieses Gefühl wird dadurch verstärkt, dass er dazu neigt, seine persönlichen Aufgaben zu delegieren.
Seine Rolle im Team? Er ist als Projektleiter geeignet, da er in dieser Rolle Aufgaben zuweisen und koordinieren kann.
 
Teamarbeiter

Der Teamarbeiter ist sympathisch, kommunikativ, diplomatisch und ausgleichend. Er sorgt für eine angenehme Arbeitsatmosphäre und Harmonie und kann somit als die soziale Seele des Teams bezeichnet werden. Er vermeidet Rivalitäten und ist in der Lage, Mitarbeiter zu einer aktiveren Mitarbeit zu motivieren. Es fällt ihm jedoch schwer, sich durchzusetzen, in schwierigen Situationen ist er unentschlossen und daher nicht als Entscheidungsträger geeignet.
Seine Rolle im Team? Er agiert und unterstützt aus dem Hintergrund und leistet wichtige soziale Beiträge. Er wird gebraucht, um für eine gute Zusammenarbeit im Team zu sorgen.
 
Wegbereiter

Der Wegbereiter ist kontaktfreudig, extrovertiert, begeisterungsfähig und kommunikativ. Es fällt ihm leicht, nützliche Kontakte auch außerhalb des Teams zu knüpfen, zu pflegen und zu nutzen. Er initiiert die Umsetzung neuer Ideen und Lösungsalternativen. Als Weichensteller ist er jedoch oft zu optimistisch und verliert nach anfänglichem Enthusiasmus leicht die Lust am Projekt. Er neigt dazu, sich mit Nebensächlichkeiten zu beschäftigen und vom eigentlichen Thema abzuschweifen.
Seine Rolle im Team? Er sollte als Kontaktperson zur Welt außerhalb des Projektteams eingesetzt werden.

Potenziale und Herausforderungen des Modells

Das Belbin-Modell kann in großen Projektteams umfassend angewendet werden, in kleineren Teams müssen die einzelnen Teammitglieder mehrere Rollen übernehmen, was allerdings ohnehin in der Natur des Menschen liegt. Obwohl Projektmanager und Teammitglieder ihre Stärken und Schwächen relativ leicht erkennen können, handelt es sich um personenbezogenes Wissen, das in vielen Kulturkreisen einem besonderen rechtlichen Schutz unterliegt. Das Team kann gezielt personell verstärkt werden, einzelne Teammitglieder können gefördert werden (was oft positiv aufgenommen wird), aber auch aus dem Team entfernt werden (was zu negativen Reaktionen führen kann). Teammitglieder, die eher im Hintergrund arbeiten oder stille Rollen einnehmen, sind ebenfalls wichtig für die Produktivität des gesamten Teams, und ihre Beiträge können durch die Kenntnis ihrer Rollen gewürdigt werden. Jeder kann sich in eine Rolle hineinversetzen, sein eigenes Verhalten und das der anderen Teammitglieder reflektieren und überlegen, was zu tun ist, um das Team voranzubringen. Rollenklarheit kann die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den einzelnen Teammitgliedern verbessern und die Projektarbeit effizienter machen.
Doch so gut das in der Theorie klingt, so wenig lässt sich das Modell in der Praxis vollständig umsetzen.
Zum einen kann auch das beste Rollenmodell Konflikte und unsoziales Verhalten nicht ausschließen, die die Produktivität eines Teams massiv beeinträchtigen können. Diese können durch das Modell nicht gelöst werden.
Zum anderen lassen sich Rollen nicht strikt voneinander trennen. Menschen nehmen automatisch mehrere Rollen ein und nehmen je nach Anforderung mal die eine Rolle mehr, mal die andere weniger wahr. Hinzu kommt, dass Menschen nicht nach ihren Rollen rekrutiert werden können, sondern nach den vorhandenen Kompetenzen, die für das Projekt benötigt werden.

Fazit

Belbin versucht mit seinem Modell, Teambildung und Teamführung zu erklären und zu erleichtern und trägt damit zum Verständnis effektiver Teamarbeit bei. Durch das Kennenlernen der eigenen Stärken und Schwächen mittels Selbsteinschätzung, z. B. durch Fragebögen und anschließendes Feedback durch unabhängige Beobachter, können sich die Teammitglieder besser in die Gruppe integrieren. Dies kann die Motivation steigern, da entsprechend der persönlichen Fähigkeiten wichtige Beiträge für das Projekt und das Team geleistet und sichtbar gemacht werden können. Die Entwicklung des Teambildungsprozesses sowie die Vorhersehbarkeit des Rollenverhaltens einer Person im Team wird mit relativ einfachen Mitteln ermöglicht. Generell kann auf der Basis der Belbin-Analyse gesagt werden, dass Teams dann besonders stark sind, wenn sie ein breites Spektrum heterogener Persönlichkeits- und Rollentypen abdecken.
Dabei sind jedoch zwei Punkte zu beachten: Eine individuelle Teamrolle muss nicht unbedingt der funktionalen oder organisatorischen Zuordnung entsprechen und es gibt Teamrollen, die für den Projekterfolg wichtiger sind als andere.

Teamrollen nach Belbin - Ein Bild vom Autor
Autor: Dr. Roland Ottmann
Schlagworte: Projektmanagement, Teamrollen

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