1x1 – Die Unterschiede zwischen Vertragsmanagement und Projektmanagement verstehen

Laut dem Chartered Institute of Procurement and Supply (UK) umfasst das Vertragsmanagement „alles von der Erstellung des Business Case und der Feststellung des Bedarfs bis hin zum Beziehungsmanagement und der Überprüfung der Leistung. Es kann in zwei Phasen unterteilt werden: eine vorgelagerte und eine nachgelagerte Phase nach der Auftragsvergabe“.
Somit kann es als die Überwachung eines Projektvertrags von der ersten Phase vor der Auftragsvergabe bis zum Abschluss beschrieben werden. Daraus lässt sich ableiten, dass ohne einen (mündlichen oder schriftlichen) Vertrag die Existenz, die Umsetzung und die Festlegung von klaren Parametern nicht möglich ist, mit welchen alle am Projekt beteiligten Akteure die Regeln für jede Maßnahme definieren können.

 
Person zeigt auf einem Blatt Papier einer anderen Person etwas.
Der entscheidende Kern des Managements von Geschäftsbeziehungen und Projekten ist also im Vertragsmanagement verankert. Die Strukturierung eines Vertrags und seine korrekte Verwaltung sind daher von entscheidender Bedeutung.

Halo-Effekt vs. Vertragsmanagement

Der Halo-Effekt ist eine Art von kognitiver Verzerrung, bei der unser Gesamteindruck von einer Person beeinflusst wird, wie wir über deren Charakter denken und fühlen. Das bedeutet ganz einfach, dass unsere Wahrnehmung von Menschen manchmal, oder in den meisten Fällen, einen verfälschten oder positiven Einfluss auf ihre Fähigkeiten haben kann, ohne dass dies der Wirklichkeit entspricht. Vor mehr als einem Jahrzehnt, bevor ich aus medizinischen Gründen dazu gezwungen war eine Brille zu tragen, herrschte die Meinung, dass Brillenträger einen vergleichsweise höheren Intelligenzquotienten (IQ) haben. Daher beschloss ich, bei meinem ersten Vortrag eine Brille zu tragen, um gebildeter zu wirken. Obwohl ich mich in der Materie sehr gut auskannte und auch über ausgezeichnete Präsentationsfähigkeiten verfügte, trug ich jedes Mal, wenn ich einen Vortrag halten musste, eine Brille ohne Sehstärke. Ich habe nie herausgefunden, ob dadurch das Vertrauen der Zuhörer in meine Fähigkeiten bestärkt wurde, aber aufgrund der bekannten kognitiven Verzerrung fühlte ich mich psychologisch gesehen auf jeden Fall äußerst sicher und wirkte zudem auch freundlicher.
Diese Art von kognitiver Voreingenommenheit, die fast jeder bewusst oder unbewusst hervorgehoben hat oder auch zum Opfer gefallen ist, kann sich darauf auswirken, wie entgegenkommend wir anderen gegenüber sind, wenn wir entscheiden, welche Vertragsklauseln, insbesondere Strafklauseln, wir für bestimmte Verträge verwenden. Auch wenn dies ein natürlicher Wesenszug des Menschen sein mag, ist es wichtig, dass wir uns alle der Existenz einer solchen introspektiven Voreingenommenheit im Vertragsmanagement und der Auswirkungen, die sie auf das Projektmanagement haben kann, bewusst werden.

Auswirkungen des Vertragsmanagements auf den Earned Value des Projekts

Laut APMG (UK) ist das Earned Value Management (EVM) „ein Managementansatz, der – unter Einbeziehung jeder Art von Programm – auf allen Managementebenen einen frühzeitigen Einblick in kosten- und zeitbezogene Probleme ermöglicht.“
Dieser Ansatz bildet die Grundlage für die Bewertung des Arbeitsfortschritts in Bezug auf einen Basisplan, indem er technische, zeitliche und kostenseitige Leistungseinschränkungen sowie Informationen für proaktive Managementmaßnahmen miteinander in Beziehung setzt und somit den Managern eine kompakte Zusammenfassung für eine effektive Entscheidungsfindung liefert.

Die erfolgreiche Umsetzung eines Projektes beruht nicht nur auf dem erfolgreichen Abschluss. Heutzutage geht es vielmehr um den (Mehr-)Wert, welcher mit der Durchführung des Projekts erzielt wird. Es gibt so viele Geschichten von Geisterstädten, in deren Aufbau Entwickler und Investoren Milliarden von Dollar investiert haben, welche aber nie besiedelt wurden. Das Vertragsmanagement legt nicht nur die Parameter fest, mit denen ein Projekt geplant, ausgeführt und verwaltet wird, sondern es soll auch den potenziellen Wert und den Return on Investment (ROI) ermitteln, die die erfolgreiche Umsetzung des Projekts den Initiatoren bringt.

Vertragsmanagement zur Bestimmung der Auswirkungen auf das Projektmanagement

In einer idealen Welt ist ein Vertragsmanager für die Erstellung aller Vertragsentwürfe, die Verhandlung mit dem Kunden, die Leitung, Überprüfung und Genehmigung von Änderungen und die Sicherstellung der Einhaltung der vereinbarten Vertragsklauseln durch alle Beteiligten verantwortlich. Projektmanager müssen das Team leiten, welches den Vertrag umsetzt, regelmäßige Berichte erstellen (Status, Risiko, Ausführung, Ressourcen und Abweichungen) und Meilensteine vorantreiben.

Vertragsmanager sind das wichtigste Bindeglied zwischen Unternehmen und Kunden. Leider ist dies ein unterschätzter Teil der Managementfunktion. In dem Bestreben, Geld zu sparen, verzichten viele Unternehmen weltweit darauf, einen Vertragsmanager zu engagieren. Stattdessen wird die vertragliche Verantwortung dem Projektmanager aufgezwungen. Dies führt zu überlasteten Projektmanagern oder unerfahrenen Mitarbeitern, die durch Mikromanagement in eine Arena der Katastrophen geraten. Dies kostet den Projekten mittel- und langfristig weitaus mehr finanzielle Verluste. Dem Oxford College of Procurement and Supply (UK) zufolge können fehlende oder schlecht ausgearbeitete vertragliche Verfahren verheerende Folgen haben.

Zusammenfassung

Für ein erfolgreiches Projektmanagement ist es deshalb unerlässlich, dass die Vertragsmanager in jeden Schritt des Projektlebenszyklus miteinbezogen werden. Zertifizierungen wie die der International Association of Project Managers (IAPM) zum „Certified Project Manager“ sind mit Fähigkeiten und Methoden verknüpft, die den Kandidaten wesentliche Fähigkeiten im Vertragsmanagement vermitteln. Es ist jedoch auch wichtig zu erkennen, dass es eine Rollentrennung zwischen Vertragsmanagement und Projektmanagement gibt. Laut Study.com besteht der Hauptunterschied zwischen den beiden Rollenprofilen darin, dass „Projektmanager sich darauf konzentrieren, die Ziele und Spezifikationen bestimmter Projekte wie Produkteinführungen, Bauprojekte und Softwareentwicklung zu erfüllen. Vertragsmanager hingegen sind mehr mit Verhandlungen und der Zusammenarbeit mit Kunden befasst, um ihnen zu helfen, den von ihnen unterzeichneten Papierkram zu verstehen.“

Ohne ein ordnungsgemäßes Vertragsmanagement besteht immer die Gefahr, dass ein Projekt scheitert. Neben dem Chaos, dem Risiko, nicht zweckdienliche Projekte zu liefern, und dem Risiko, Schulden zu machen, bietet es auch einen Nährboden für ineffiziente Projektabwicklung, entgleisende Kosten, Zeitpläne und Risiken sowie andere Compliance-Probleme. Die Weltbank stellt fest: „Obwohl es eine breite Palette von Gründen für Fehler im Vertragsmanagement gibt, ist das Fehlen der Grundlagen oft ein Hauptfaktor für schlechte Leistungen.“

Meines Erachtens nach ist die Akzeptanz und das Vorhandensein eines ordnungsgemäßen Vertragsmanagements, sei es durch Menschen oder durch intelligente Verträge, die wichtigste Voraussetzung für die erfolgreiche Verwaltung eines jeden Projekts.
Autor: Dr. Nana Sackey PhD ist ein Vertragsportfolio-Spezialist mit mehrjähriger Erfahrung in der innovativen Auftragserteilung in den Bereichen Schifffahrt, Telekommunikation, Verwaltung finanzierter Projekte und im akademischen Bereich. Er ist Certified Agile Project Manager (IAPM), hat einen M.Sc. in Procurement und einen PhD in Contract Management. Er hat in der Vergangenheit mehrere Unternehmensschulungen zu den Themen Vertragsverwaltung, Kostenschätzung, Ausgabenanalyse und Risikomanagement im Projektportfolio geleitet.
Er ist glücklich verheiratet mit Debbie, mit der er drei Kinder – Iden, Ibby und Ilse – hat.

Schlagworte: Projektmanagement, Vertragsmanagement, Tipp, Wissen, Ratgeber

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