Der Fall der Bauherrenvertretung: Warum jedes Projekt vom ersten Tag an einen Interessensvertreter braucht

Alan Lakein sagte einmal: „Wer nicht plant, plant sein Scheitern.“ Diese Aussage trifft insbesondere auf die Bau- und Immobilienbranche zu. Dennoch geraten Projekte immer wieder in Schieflage – nicht aus bösem Willen, sondern weil die richtigen Personen nicht zur richtigen Zeit eingebunden wurden.
Viele Bauherren gehen davon aus, dass der erste Schritt eines erfolgreichen Projekts die Beauftragung eines Architekten sei, um Entwürfe zu erstellen und ihre Vision zu verwirklichen. Die Realität sieht jedoch anders aus: Ohne einen erfahrenen Projektmanager von Beginn an können selbst die schönsten Architekturkonzepte zu finanziellen und logistischen Albträumen werden.
Ein Bauherrenvertreter – ein unabhängiger Projektmanager, der im Interesse des Bauherrn agiert – sollte der erste Ansprechpartner sein, lange bevor ein Architekt beauftragt wird. Warum? Weil Bauprojekte weit mehr als nur Pläne und Bauzeichnungen sind. Sie erfordern strategisches Denken, Risikominimierung und ein fundiertes Verständnis für die komplexen Prozesse dieser Branche.
Zwei Personen mit Schutzhelmen und Warnwesten stehen auf einer Baustelle und blicken auf arbeitende Bauarbeiter.

Inhalt

Warum Projektmanagement schon vor der ersten Skizze beginnt

Die Mehrheit der Klienten sieht sich, ohne es zu wissen, mit Kostenüberschreitungen, Verzögerungen und Planungskonflikten konfrontiert, da sie der traditionellen Projektabwicklungsmethode folgen: 
 
  • Der Architekt erstellt den Entwurf
  • Der Entwurf wird ausgeschrieben 
  • Der günstigste Bieter wird ausgewählt 
  • Der Bau beginnt
Auf den ersten Blick klingt das logisch. In der Praxis führt dieser lineare Ansatz jedoch oft zu unerwarteten Kosten und Konflikten, weil
 
  • Architekten oft ohne direkte Rücksprache mit Bauunternehmen oder Kostenkalkulatoren planen – das kann zu Entwürfen führen, die zwar gut aussehen, aber teuer und schwer umsetzbar sind.
  • Bauunternehmen nicht verpflichtet sind, dem Kunden Geld zu sparen. Entdecken sie bereits in der Angebotsphase einen Planungsfehler, müssen sie ihn nicht ansprechen – stattdessen taucht er später als teurer Nachtrag auf.
  • der Kunde sich häufig als Schiedsrichter zwischen Architekten, Ingenieuren und Bauunternehmen wiederfindet – was zu Frust, Budgetüberschreitungen und Verzögerungen führt.
Auf der Baustelle hört man dann oft: „Nicht ich bin Schuld, sondern die Pläne. Ich habe nur kalkuliert, was dort stand.“
Und so trägt am Ende der Kunde die Kosten für schlechte Koordination und mangelhafte Planung.

Die bessere Herangehensweise: Die Wahl der richtigen Projektabwicklungsmethode

Ein erfahrener Projektmanager bewertet das Vorhaben von Anfang an und empfiehlt die beste Projektabwicklungsmethode – anstatt einfach auf das traditionelle Design-Bid-Build-Verfahren zurückzugreifen.
Je nach Komplexität, Zeitrahmen und Budget könnte er beispielsweise folgende Methoden vorschlagen:
 
  • Integrated Project Delivery (IPD) – Hier arbeiten Architekten, Bauunternehmen und Ingenieure von Anfang an eng zusammen, wodurch Kostenüberschreitungen und Konflikte minimiert werden.
  • Design-Build – Planung und Bau erfolgen unter einem einzigen Vertrag, was den Prozess strafft und den Kunden entlastet, da er nicht ständig zwischen verschiedenen Parteien vermitteln muss.
Im Gegensatz zur traditionellen Methode verlagern diese Ansätze das Risiko von Nachträgen vom Kunden auf das Projektteam. Sie setzen auf Zusammenarbeit statt Wettbewerb, sodass das Design von Anfang an mit Budget und baulicher Machbarkeit abgestimmt wird – noch bevor der erste Spatenstich erfolgt. Genau hier wird ein erfahrener Bauherrnvertreter als Projektmanager unverzichtbar.

Was eine Bauherrenvertretung wirklich macht

Als jemand, der an millionenschweren Regierungs-, Gewerbe- und Privatprojekten gearbeitet hat, habe ich erlebt, wie ein unabhängiger Projektmanager in der Rolle der Bauherrenvertretung die gesamte Dynamik eines Projekts verändert.

Sie sorgt für Rechenschaft und Transparenz

Der Projektleiter eines Bauunternehmens ist dem Bauunternehmen verpflichtet und hat die Aufgabe, das Projekt voranzutreiben – auch wenn das Kompromisse bedeutet. Ein Bauherrenvertreter hingegen ist ausschließlich dem Auftraggeber verpflichtet. Er stellt sicher, dass Verträge fair gestaltet sind, Transparenz herrscht und alle Beteiligten ihre Verantwortung in jeder Projektphase wahrnehmen.

Sie verhindert Kostenüberschreitungen, bevor sie entstehen

Unzureichende Planung kann zur finanziellen Zeitbombe werden. Ein Bauherrenvertreter sorgt für realistische Kostenprognosen, Risikominimierung und eine solide Vertragsgestaltung. In meiner beruflichen Praxis habe ich Projekte betreut, bei denen eine zusätzliche Investition von nur 10 % pro Gewerk den Kunden letztlich Hunderttausende an unerwarteten Kosten erspart hat.

Sie stellt den langfristigen Erfolg des Projekts sicher

Ein Bauherrenvertreter betrachtet das gesamte Lebenszyklus eines Projekts – von der ersten Bedarfsanalyse über die Umsetzung bis hin zur abschließenden Inbetriebnahme und Bewertung. Ich habe erlebt, wie Projekte scheiterten, weil essenzielle Übergabeprozesse nicht frühzeitig eingeplant wurden. Dies führte zu Betriebsverzögerungen, fehlender Dokumentation und teuren Nachrüstungen.

Ein erfahrener Bauherrenvertreter ist also weit mehr als nur ein Vermittler – er ist der Garant für ein erfolgreiches, gut durchdachtes und wirtschaftlich sinnvolles Bauprojekt.

Fazit: Erfolgreiches Projektmanagement beginnt mit der richtigen Führung

Länder mit der effizientesten Infrastrukturentwicklung – darunter Singapur, Kanada und Deutschland – setzen stark auf unabhängige Bauherrenvertretung in ihren Projekten. Diese Herangehensweise sollte auch in anderen Ländern, z. B. den Bahamas übernommen werden, um die Projektentwicklung zu optimieren.

Angesichts des wachsenden Bedarfs in Tourismus, Immobilien und Infrastruktur kann es sich die Bahamas nicht leisten, weiterhin Projekte ohne echte Aufsicht zu realisieren. Um die Effizienz zu steigern und erstklassige Infrastruktur zu entwickeln, müssen wir von Anfang an auf strategisches Projektmanagement setzen – denn die Rolle des Projektmanagers ist unverzichtbar.

Als international zertifizierter Projektmanager ist es meine Mission, sicherzustellen, dass private Investoren, Regierungsbehörden und Unternehmen von Beginn an die Vertretung erhalten, die sie benötigen. Denn der Erfolg eines Projekts wird lange vor dem ersten Spatenstich entschieden.

Die entscheidende Frage ist: Überlassen wir weiterhin den Bauunternehmen die Kontrolle über Projektergebnisse – oder geben wir den Bauherren die Macht, selbst zu bestimmen? Es ist Zeit für einen Kulturwandel im Projektmanagement, in dem Bauherrenvertretung nicht nur eine Option, sondern der Standard ist.

Bauherrenvertretung - Der Autor
Autor: Clay L. Adderley stammt von den Bahamas und ist ein leidenschaftlicher Bauprojektmanager. Clays besondere Herangehensweise an das Projektmanagement beruht auf seinem außergewöhnlichen Bildungshintergrund: Er hat einen Abschluss als Associate of Science in Construction Technology und einen BA in Business and Enterprise. Diese beiden unterschiedlichen Bildungswege fließen in seiner Arbeit zusammen und ermöglichen es ihm, technisches Fachwissen aus dem Bauwesen mit strategischen Kenntnissen aus der Betriebswirtschaft zu kombinieren. Seine Stärke liegt in seiner ausgeprägten Kommunikationsfähigkeit und der Fähigkeit, dieses interdisziplinäre Wissen zu nutzen, um die Lücke zwischen Bauingenieurwesen, Baustellenbetrieb und Unternehmensstrategie zu schließen und sicherzustellen, dass jedes Projekt mit den übergeordneten Unternehmenszielen in Einklang steht.
Clay glaubt fest an die Kraft von Zusammenarbeit und Teamgeist und hat die Fähigkeit entwickelt, unterschiedliche Teams auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören. 
Schlagworte: Projektmanagement

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