Virtuelle Führung von Remote-Teams: 7 Expertentipps

Zahlreiche Angestellte wurden zu Beginn der Krise ins Homeoffice geschickt. Für viele Unternehmen ist es an der Zeit, die Rückkehr ins Büro zu planen. Andere Unternehmen dagegen geben ihren Mitarbeitern die Freiheit weiter von zu Hause zu arbeiten bzw. ein Hybrid-Modell zu wählen. Einer Capterra Studie zufolge wollen nur 9 % nach der Krise täglich an die Arbeitsstelle zurück. 
Remote-Arbeit ist ein langfristiger Trend, der so schnell nicht weggehen wird. Die Attraktivität als Arbeitgeber wird ebenfalls erhöht, wenn Remote- bzw. Hybrid-Arbeitsmodelle im Unternehmen angeboten werden. Noch wichtiger denn je ist es also für Projekt- und Personalmanager an ihren digitalen Führungsqualitäten zu arbeiten.
Buchstabenspielsteine welche den Schriftzug WORK FROM HOME bilden. [1]

Expertentipps um Remote-Teams erfolgreich zu führen

Vertrauen anstatt Mikromanagement

Ein häufiges Problem bei der Führung von Remote-Teams ist, dass Führungskräfte ihr Team mikromanagen – oftmals aus Angst den vollen Überblick zu verlieren. Beim Mikromanagement möchte der Projektmanager bzw. Vorgesetzte über jede kleine Änderung am Projekt informiert werden. Mitarbeiter können nicht frei handeln, sondern müssen für alles eine Genehmigung einholen. Mitarbeiter verlieren viel Zeit mit Statusberichten, unnötigen Abstimmungen und viel Kommunikation. Mikromanagement ist ein Motivationskiller und steht der Produktivität entgegen. 
Mario Neumann erklärt, dass „die Corona-Phase eine neue Dimension schafft, die auf Projektleiter erst einmal wirken muss. Denn die aktuelle Projektleiter-Generation ist über Kontrolle groß geworden: Projektpläne zu entwickeln und über Kennzahlen (KPIs) zu steuern, war für sie über viele Jahre Standard. Auf Vertrauen zu setzen, dass die Mitarbeiter von sich aus qualitativ hochwertig arbeiten und dabei Zeit und Kosten nicht aus den Augen verlieren, war nicht üblich.“

Von der Mitarbeiterüberwachung im Homeoffice halten unsere Experten nichts

Einige Führungskräfte suchen nach neuen Wegen, um die tägliche Arbeit ihrer Remote-Mitarbeiter im Griff zu behalten. Eine Lösung bietet die sogenannte Mitarbeiterüberwachungssoftware. Mit dieser Software können Arbeitgeber detailliert verfolgen und überwachen, was ihre Mitarbeiter tun. So könnten beispielsweise Slack-Konversationen oder E-Mails gelesen werden oder der Internetverlauf der Angestellten überprüft werden. Mitarbeiter auf diese Weise zu kontrollieren widerspricht der deutschen Arbeitskultur. Dennoch geschieht die Mitarbeiterüberwachung – seit der Krise sogar mehr.
Die Experten sind sich zu dem Thema einig, von Mitarbeiterüberwachung im Homeoffice halten sie nichts. Christian Lechner zufolge ist die “Mitarbeiterüberwachung weder im Homeoffice noch im Büro sinnvoll. Permanentes Einfordern von Berichten zum Arbeitsprozess oder zur Anwesenheit erstickt jegliche Kreativität und Innovation. Am Ende zählt das gelieferte Ergebnis.” Holger Zimmermann fügt dem hinzu, dass “Kontrolle alles kaputt macht, was gute Zusammenarbeit ausmacht. Besonders bei Wissensarbeit in Projekten ist Kontrolle sowieso Illusion. Gute Beiträge für Projekte entstehen oft bei Tätigkeiten, die nicht der klassischen Arbeit entsprechen, beispielsweise beim Rasen mähen.” 
Unternehmen können andere Tools einsetzen, um ihre Mitarbeiter bei der Organisation und Produktivitätssteigerung zu unterstützen. Hier eignen sich beispielsweise Zeiterfassungssysteme. Mit diesen kann die für Aufgaben aufgewendete Zeit gemessen werden und Prozesse optimiert werden. Weiterhin unterstützen Kollaborationstools die Zusammenarbeit im Team. 

Welche Eigenschaften charakterisiert eine gute digitale Führungskraft?

Stefan Scheller rät Führungskräften, die Teams auch digital (oder noch anspruchsvoller: hybrid) führen wollen, dass sie sich eingestehen müssen, dies möglicherweise noch nicht aus dem Effeff zu beherrschen. „Denn nur durch diese Offenheit, entsteht auch ein Anreiz zu lernen. Denn wie so oft beschrieben, ist Führung auch Handwerk – und lässt sich entsprechend lernen.“
Mario Neumann zufolge sind „Führungskräfte immer mehr in der Funktion als Katalysatoren und Inspiratoren gefordert. Die größte Veränderung aber lautet: Kontrolle aufgeben, Führung behalten.“ Er erklärt, welche Leitplanken dabei zu beachten sind:
 
  • „Es geht nicht mehr darum, Informationen zu sammeln, zu hüten und weiterzuleiten, sondern Führungskräfte müssen in der Lage sein, das Wissen von verteilt arbeitenden Experten zusammenzuführen.
  • Eine starke Mitarbeiterorientierung ist ein Muss – ohne kontinuierliches, differenziertes Feedback geht es in der Mitarbeiterführung nicht mehr. Nachrückende Mitarbeiter wollen anders geführt werden als ihre älteren Kollegen.
  • Das „Gluckenmodell“, dem gemäß sich die Mitarbeiter ständig um den Chef drängen wie Küken um eine Henne, funktioniert immer seltener. Diversität der Arbeitsformate ist gefragt und wird weiter stark zunehmen.“

Welche Projektmanagementmethoden eignen sich für die virtuelle Führung von Remote-Teams?

Bei diesem Punkt teilen sich die Meinungen unserer Experten. Viele sagen ganz klar, dass die Methode abhängig von Projekt und Team sind und eine Pauschalantwort hier falsch ist. „Der Einsatz von Projektmanagementmethoden hängt nicht vom Unternehmen ab, in dem sie eingesetzt werden, sondern vom Projekt, das gemanagt werden soll“, erklärt Mario Neumann. Holger Zimmermann zufolge „ist die Wahl der Methode unerheblich, denn es ist eine Frage der persönlichen Haltung. Die wichtigste Methode ist jedoch die Beziehungsarbeit.“ Christian Botta fügt hinzu: “Wenn die Frage auf agil oder klassisch abzielt: Das hat nichts mit dem Thema remote zu tun.“
Ein Teil der Spezialisten spricht sich dagegen für agile Projektmanagementmethoden aus. „Agile Methoden waren bereits im klassischen Umfeld überlegen. Während der Pandemie hat sich gezeigt, dass sie auch das Remote-Umfeld dominieren“, erklärt Boris Gloger.
In einer agilen Umgebung schreiben Teams ihre Aufgabenblöcke in ein virtuelles Taskboard und haben so transparent und zu jedem Zeitpunkt Einsicht, was getan werden sollte und welche Aufgaben in Arbeit sind. In Online-Whiteboard-Tools können alle Teammitglieder gleichzeitig arbeiten, Anmerkungen vornehmen und miteinander kommunizieren. Die Ergebnisse lassen sich flexibel speichern, exportieren und weiterverarbeiten und auch Personen außerhalb des Unternehmens können unkompliziert Zugriff erhalten. Idealerweise sind die Whiteboardtools außerdem in bestehende Teamkommunikationssoftware, Projektmanagementsoftware, und Dokumentenmanagementsysteme integrierbar, sodass nahtlos zwischen Arbeitsschritten gewechselt werden kann.

Checkliste: Tipps für die virtuelle Führung von verteilten Teams

Diese sieben Expertentipps fassen die wichtigsten Punkte zusammen: 
 
  • Vertrauen, Vertrauen, Vertrauen: Vertrauen ist das A und O für jede gelungene Zusammenarbeit. Misstrauen wirkt sich schnell negativ auf die Zusammenarbeit aus. 
  • Mikromanagement vermeiden: Je früher Führungsverantwortliche sich davon lösen, alles im Detail managen zu wollen, umso besser. Schaffen Sie Kommunikationsstrukturen und lassen Sie dann jeden Mitarbeiter seine Arbeit machen, ohne ständig zu intervenieren. 
  • Mitarbeiterüberwachung im Homeoffice ist nicht sinnvoll: Eine Befähigung zur Achtsamkeit und einer gesunden Selbstfürsorge der Beschäftigten hilft deutlich mehr als Überwachungstools.
  • Organisieren Sie regelmäßig auch informelle Treffen: Gemeinsam vor dem Rechner Mittagessen oder den morgendlichen Kaffee einnehmen helfen dem Zusammenhaltsgefühl im Team. 
  • Auch die Mitarbeiter einbeziehen: Fragen Sie Ihre Mitarbeiter, wie sie sich die Zusammenarbeit vorstellen und lassen Sie Meetings auch von Teammitgliedern organisieren.
  • Visuelle Projektmanagementmethoden helfen im Homeoffice: Mit virtuellen Taskboards und Online-Whiteboard-Tools haben Teammitglieder transparent Einblick in Aufgaben und können gleichzeitig arbeiten und miteinander kommunizieren.
  • Die richtige Projektmanagementmethode findet man durch Ausprobieren und Reflektieren: Es gibt keine Pauschalantwort auf die Frage nach der passenden Projektmanagementmethode, sondern es hängt immer vom Projekt, das gemanagt werden soll, ab. 
 
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Autorin: Ines Bahr ist Senior Content Analyst bei Capterra, der unabhängigen Such- und Vergleichsplattform für Unternehmenssoftware. Das Unternehmen bietet verifizierte Nutzerbewertungen und unabhängige Testberichte in über 800 Softwarekategorien und hilft jeden Monat mehr als drei Millionen Käufern, die passende Software zu finden.

Schlagworte: Homeoffice, virtuelle Teams, Projektmanagement

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