Die fünf Axiome der Kommunikation

Sei es durch Worte, nonverbale Signale oder durch unser Schweigen – wir kommunizieren ständig. Kommunikation ist von zentraler Bedeutung für unser tägliches Leben und damit natürlich auch für unsere Projekte, doch wie funktioniert Kommunikation? Diese Frage beschäftigt seit Langem Wissenschaftler und Psychologen. Ein bekannter Theoretiker auf diesem Gebiet ist der österreichisch-amerikanische Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick. Im Buch „Menschliche Kommunikation – Formen, Störungen, Paradoxien“, das er mit Janet H. Beavin und Don D. Jackson geschrieben hat, stellt er fünf Axiome vor, welche die Grundlagen menschlicher Kommunikation verdeutlichen. Diese fünf Axiome (allgemein anerkannte Grundregeln, bei denen jeder davon ausgeht, dass sie richtig sind), werden verwendet, um zu veranschaulichen, dass sprachliche Kommunikation sowohl von der Beziehung zwischen den Gesprächspartnern als auch von ihren Gefühlen beeinflusst wird. Durch das Erkennen der Ursache von Konflikten wird versucht, Missverständnisse und Konflikte zu erklären, denn wenn die Ursache eines Konflikts bekannt ist, kann er in Zukunft vermieden werden.
Eine Reihe von Gläsern mit Pflanzen darin.

Inhalt

Potenzial von Kommunikationsmodellen

Kommunikationsmodelle können dem Projektmanager dabei helfen, die Kommunikation als wichtigen Bereich der Projektarbeit besser zu verstehen und seine eigene Kommunikationsform zu verbessern. Er sollte also in der Lage sein, die Psychologie hinter der Kommunikation zu verstehen und die Optimierungspotenziale zu erfassen, um dann
 
  • andere, z. B. Teammitglieder und Lieferanten, Mitglieder im Lenkungsausschuss und Kunden, besser zu verstehen,
  • Missverständnisse mit Projektbeteiligten zu vermeiden,
  • Konfliktpotenzial mit ihnen zu verringern und am Ende 
  • die Teamarbeit zu verbessern.

Axiom 1: Man kann nicht nicht kommunizieren

Kommunikation beruht nicht nur alleine auf dem gesprochenen Wort, die Tonalität, Zwischentöne, Sprachgeschwindigkeit, Mimik, Gestik, allgemein also unser Verhalten spielen auch eine gewichtige Rolle. Und weil es unmöglich ist, sich nicht zu verhalten, ist es auch unmöglich, nicht zu kommunizieren.
 
Beispiel aus der Welt des Projektmanagements:

Der Projektmanager kommt zu einer Teambesprechung und setzt sich neben ein Teammitglied, das gerade eine SMS schreibt. Das Teammitglied sieht den Projektmanager kurz an, nickt ihm freundlich zu und arbeitet dann aber an seiner SMS weiter. Das Teammitglied hat klar kommuniziert, wobei er bei seinem Verhalten ohne das gesprochene Wort auskam, um dem Projektmanager mitzuteilen, dass er ihn wahrgenommen hat, ihn durch das Kopfnicken grüßt, aber jetzt nicht sprechen kann.

Axiom 2: Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt

Wie zwei Menschen miteinander kommunizieren hängt davon ab, wie sie zueinanderstehen. In der Kommunikation schwingt immer auch die Beziehung und damit die Emotionalität mit, d. h. ob sich die beiden gut oder eher weniger gut leiden können spielt eine wichtige Rolle, ganz gleich, was auf der sachlich inhaltlichen Ebene geschieht.
 
Beispiel aus der Welt des Projektmanagements:

Die Projektmitarbeiterin Saskia fragt ihren Projektkollegen Oliver, ob er daran gedacht habe, dass er den Versuchsbericht noch schreiben müsse. Da es bei der letzten Projektbesprechung einen Vorfall gab, bei dem sich Oliver von Saskia schlecht behandelt fühlte, ist er sauer auf sie. Als Oliver nun von Saskia auf den Bericht angesprochen wird, antwortet er ihr unwirsch, dass er natürlich daran gedacht habe.
Saskia hat Oliver eine inhaltlich einfache Frage (Sachebene) gestellt, auf die sie auch eine klare und eindeutige Antwort bekommen hat. Die Emotionalität, mit der die Antwort gegeben wurde, macht aber deutlich, dass Oliver gerade nicht gut auf Saskia zu sprechen ist (Beziehungsebene).
 
Ähnlich aber oft subtiler stellt sich die Kommunikation dar, wenn sich die Kommunikationspartner hierarchisch auf unterschiedlichen Ebenen befinden. Bei einem Gespräch zwischen dem Geschäftsführer, der im Lenkungsausschuss den Vorsitz hat, und seinem Projektmanager, zeigt sich, dass der rangniedrigere Projektmanager höflicher und vielleicht auch förmlicher mit dem ranghöheren Geschäftsführer spricht, als mit einem Kollegen der gleichen Hierarchieebene. Doch auch wenn die Zeichen der Kommunikation schwerer zu deuten sind, lässt die Art und Weise, wie der Sachinhalt vermittelt wird, Rückschlüsse auf die Gefühlslage zu. Es zeigt sich also bei jeder Kommunikation, dass der Inhalts- und der Beziehungsaspekt zusammengehören und damit immer relevant sind.

Axiom 3: Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung

Mit allem, was zu einem anderen Menschen gesagt oder nonverbal angezeigt wird, wird eine winzig kleine oder aber vielleicht auch eine größere Reaktion provoziert. Diese Reaktion ist das, auf das wieder reagiert werden kann und dieses kommunikative Wechselspiel kann eigentlich unbegrenzt weiter gehen. 
 
Beispiel aus der Welt des Projektmanagements:

Saskia wundert sich über Olivers patzige und abweisende Antwort (Ursache) und fragt Oliver, was denn los sei (Wirkung). Oliver verzieht das Gesicht, schüttelt den Kopf und rollt mit den Augen (Reaktion). Saskia lässt nicht locker und fasst nach (Reaktion). Oliver sagt nun zu Saskia, dass er jetzt einfach seine Ruhe haben möchte (Reaktion).
 
Es ist klar, dass diese Sache nun eigentlich immer so weiter gehen und im Sinne eines Konflikts auch eskalieren kann. Am Ende geht es dann vielleicht nur noch um die Frage, wer den Konflikt angefangen hat und weil dieser eindeutige Anfang nicht zu lokalisieren ist, liegt ein kommunikativer Teufelskreis vor: die Katze versucht sich in ihren eigenen Schwanz zu beißen. Wie die Katze nicht in ihren Schwanz beißen kann, sind solche Konflikte unlösbar.

Axiom 4: Menschliche Kommunikation bedient sich analoger und digitaler Formen

Im physikalischen Sinne sind analoge Signale stufenlos und liefern theoretisch unendlich genaue Informationen, d. h. kontinuierliche Werte. So zeigt eine Armbanduhr mit drei Zeigern auf dem Ziffernblatt jede Zeiteinheit. Digitale Signale sind hingegen ausgewählt und liefern „verlustbehaftete“ Informationen, d.h. diskrete Werte, wie eine Armbanduhr die auf dem Display die Uhrzeit nur in Stunden und Minuten anzeigt. 
Analog und digital im Sinne der Kommunikation hat aber nichts mit dieser physikalischen Begriffsdefinition zu tun. Wenn wir kommunizieren bedeutet analog, dass das was gesagt wird einen Interpretationsspielraum zulässt, es bezieht Mimik und Gestik mit ein und meint die nonverbale Kommunikation (z. B. verdrehte Augen, gezogene Grimasse). Digital hingegen bedeutet, dass sich das was gesagt wird ausschließlich auf den sachlichen Inhalt bezieht (z. B. die Aussage „der Versuchsbericht muss erstellt werden“) und lässt keinen Interpretationsspielraum zu. 
 
Beispiel aus der Welt des Projektmanagements:

Bei einem Projektreview sind auch Saskia und Oliver wieder zugegen. Saskia sieht Oliver an und als sich ihre Blicke begegnen nickt sie ihm grüßend zu, Oliver lächelt zurück und erwidert ihren Gruß. Kurz darauf sagt Oliver zu Saskia, dass er beim letzten Gespräch nicht pampig rüberkommen wollte, er war unter Druck gestanden, sein Verhalten war ihr gegenüber nicht böse gemeint und er möchte sich bei ihr entschuldigen. 
Bevor Oliver die Begründung für sein Verhalten auf der Sachebene (digital) gegeben hatte, wusste Saskia bereits durch Olivers Verhalten (analog), dass er entspannt ist und freundlich zu ihr sein wird.
 
Herausfordernd wird es allerdings, wenn die digitale und die analoge Kommunikation widersprüchlich sind.
 
Beispiel aus der Welt des Projektmanagements:

Der Projektmitarbeiter ist kreidebleich und hat kalten Schweiß auf der Stirn stehen. Der Projektmanager bemerkt das und fragt ihn, ob mit ihm alles in Ordnung ist. Der Mitarbeiter antwortet darauf, dass alles super ist und es ihm gut geht. Jetzt muss der Projektmanager entscheiden, was hier eher richtig ist, die analoge oder digitale Information. 

Axiom 5: Kommunikation ist symmetrisch oder komplementär

Symmetrische Kommunikation ist im Sinne von gleichartig zu verstehen und bedeutet, dass die Gesprächspartner auf Augenhöhe miteinander kommunizieren (sie sind auf der gleichen Ebene). Hier spielen also die Gemeinsamkeiten, z. B. die Interessen, Neigungen etc. der Gesprächspartner eine wichtige Rolle. 
Komplementäre Kommunikation ist im Sinne von ergänzend zu verstehen, die Gesprächspartner ergänzen sich wechselseitig und befinden sich dabei u.U. auf unterschiedlichen Ebenen, wobei generell Abweichungen, Andersartigkeiten und Gegensätze eine Rolle spielen.
 
Beispiel aus der Welt des Projektmanagements:

Bevor das Projektreview beginnt, unterhalten sich Oliver und Saskia noch über ihre zwei Kinder, die in die gleiche Schulklasse gehen und über den geplanten Schulausflug (symmetrische Kommunikation), während ihres Gesprächs erhebt der Projektmanager die Stimme, bittet um Ruhe, begrüßt die Teilnehmenden und erklärt, dass nun mit dem Projektreview begonnen werden soll (komplementäre Kommunikation).

Fazit

Die Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren ist vielschichtig und bisweilen äußerst komplex. Die fünf Axiome sind hilfreich, um die Komplexität unserer Kommunikation zu reduzieren. Damit wird es ermöglicht Feinheiten wahrzunehmen und bessere Schlussfolgerungen zu ziehen, die Form unserer Kommunikation im Projekt zu verbessern und Konfliktsituationen besser zu meistern. Natürlich gilt das alles auch außerhalb unserer Projekte, denn auch dort „verhalten“ wir uns, oder um mit Paul Watzlawick zu sprechen, auch dort können wir uns nicht nicht verhalten.

Axiome der Kommunikation - Ein Bild vom Autor
Autor: Dr. Roland Ottmann
Schlagworte: Projektmanagement, Kommunikation

Die IAPM-Zertifizierung

Die Zertifizierung kann über ein reputiertes Onlineprüfverfahren abgelegt werden. Die Kosten richten sich nach dem Bruttoinlandsprodukt Ihres Herkunftslandes.

Aus dem IAPM Blog

Network Official werden

Wollen Sie sich in Ihrem Umfeld für Projektmanagement engagieren und dazu beitragen, Projektmanagement weiterzuentwicklen? Dann werden Sie aktiv als IAPM Network Official oder als Network Official der IAPM Network University. 


Aufgrund besserer Lesbarkeit nennen wir in unseren Texten meist nur die generische männliche Form. Nichtsdestotrotz beziehen sich die Ausdrucksformen auf Angehörige aller Geschlechter.