Von der Arbeitsgemeinschaft bis zum Konsortium: Projektgesellschaften im Überblick

Die Projektmitarbeitenden kommen in der Regel aus unterschiedlichen Fachbereichen, Organisationen, Unternehmen und Kulturkreisen. Die Aufbauorganisation bildet das Grundgerüst des Projekts und definiert die Rahmenbedingungen für die Verteilung von Aufgaben, Verantwortung und Befugnisse von Projektlenkungsausschuss, -manager und -team. Mit der Schaffung einer projektbezogenen Aufbauorganisation wird die hierarchische Einordnung der Teammitglieder ermöglicht, der jeweilige Arbeits- und Entscheidungsbereich definiert und die Grundlage für die erfolgreiche Arbeit im Team gelegt. Der Projektmanager hat die Möglichkeit auf verschiedene Organisationsformen, unter Beachtung ihrer speziellen Vor- und Nachteile, zurückzugreifen und damit das Verhältnis zwischen der Projekt- zur Linien-, bzw. Stammorganisation auf unterschiedliche Art und Weise gestalten.
Wolkenkratzer aus Glas, fotografiert aus der Froschperspektive.

Inhalt

Einbindung von Projekten in die Linienorganisation

Projekte werden in den meisten Fällen in eine Linien- oder Stammorganisation eines bestehenden Unternehmens eingebunden und solange
 
  • im Wesentlichen nur eine einzige Organisationseinheit das Projekt abwickelt (z. B. eine Laborgruppe),
  • nur wenige Verknüpfungen und kein Ressourcenverbund mit anderen Organisationseinheiten bestehen,
  • andere Instanzen nur Servicefunktionen erbringen müssen und
  • der Personaleinsatz verhältnismäßig niedrig ist,
sind auch keine besonderen organisatorischen Maßnahmen innerhalb oder außerhalb der Linienorganisation nötig. In einem Labor beispielsweise würde der Laborleiter F&E-Projekte leiten, ohne ausdrücklich zum Projektmanager ernannt worden zu sein. Er wird und kann die Projekte im Rahmen der Linienorganisation realisieren. Wichtig ist allerdings, dass die Zahl der Projekte, für die eine Führungskraft verantwortlich ist, nicht zu groß wird.

Projekte außerhalb der Linienorganisation

Komplexe Projekte, in denen besonders viele Organisationseinheiten, Spezialisten oder Einzelaktivitäten koordiniert werden müssen, können die funktionale Linienorganisation schnell überfordern. Dieses Problem von Linienorganisationen kann am Beispiel eines Projekts beschrieben werden, das mehrere Bereiche eines funktional organisierten Unternehmens berührt. Gibt es in dem Projekt keine speziellen Koordinierungsmaßnahmen, tendiert es zum sequenziellen Durchlauf. Das heißt: Die einzelnen Aufgaben werden nacheinander (= sequenziell) bearbeitet, sind also wie an einer Kette aneinandergereiht. Eine Abteilung schließt ihre Aufgaben ab und reicht ihre Unterlagen und Ergebnisse an die nächste Abteilung weiter. Diese bearbeitet ihre Aufgaben und übergibt ihre Ergebnisse wiederum der nächsten Abteilung. Auf diese Weise geht die ganzheitliche Sicht auf das Projekt immer mehr verloren. Hätte jemand den Überblick über das Gesamtprojekt und stimmte die Vorgänge optimal aufeinander ab, wäre es dagegen möglich, die Durchlaufzeiten und die Kosten zu verringern.

In diesem Beispiel ist es sinnvoll, das Projekt autonom zu organisieren. Es gibt aber noch andere Situationen, in denen es sinnvoll sein kann, ein Projekt außerhalb der Linienorganisation durchzuführen. Diese Situationen treten dann auf, wenn die Projektaufgabe eine hohe Komplexität aufweist, der Ressourcenverbrauch eine kritische Schwelle erreicht hat (dies kann je nach Unternehmen unterschiedlich sein), die Aufgabe einen hohen Neuheitsgrad oder strategischen Wert für das Unternehmen aufweist (zum Beispiel, wenn es darum geht, in ein neues Marktsegment einzutreten) oder wenn das Risiko besteht, dass die beteiligten Mitarbeitenden ihre Aufgaben nicht erfüllen können, weil sie bereits zu stark durch ihre Linienaufgaben ausgelastet sind.

Meist rechtfertigen schon eines oder zwei der genannten Charakteristika eine besondere organisatorische Gestaltungsmaßnahme, um eine autonome Projektorganisation zu installieren. Geringe organisatorische Eingriffe reichen nur bei Projekten aus, die die in Bild aufgelisteten Kriterien erfüllen:
Kriterien für Projekte mit geringen organisatorischen Eingriffen
Die jeweilige Stammorganisation muss diese Kriterien so festlegen, dass sie in der Praxis anwendbar werden. Sie muss zum Beispiel festlegen, was „kurze Projektdauer“ bedeutet und unter welchen Umständen das Bedürfnis nach zentraler Steuerung „gering“ ist. Sind die Definitionen klar, können die Verantwortlichen bei Bedarf schnell entscheiden, ob besondere organisatorische Vorkehrungen erforderlich sind.

Projektgesellschaften

Rechtlich und organisatorisch selbständige, von der Stammorganisation abgetrennte Projekte – die zum Beispiel von einer Projektgesellschaft durchgeführt werden – stellen im Sinne der Projektorganisation die mächtigste Variante dar, sind aber in der Projektrealität eher die Ausnahme. Für große Bau- und Anlagenbauvorhaben werden beispielsweise solche Gesellschaften gegründet. Projektgesellschaften sind Organisationen, die sich rechtlich gegenüber der Stammorganisationverselbständigt haben. Häufig beteiligen sich mehrere Unternehmen oder andere Organisationen an ihnen. In diesen Gesellschaften, die zum Beispiel die Rechtsform einer GmbH oder einer AG haben können, sind die Projektziele identisch mit den Organisationszielen. Ist das Projektziel erreicht, wird die Gesellschaft aufgelöst.

Für Projekte, die quasi eine von der Stammorganisation autonome Aufbauorganisation erhalten sollen, um die Aktivitäten mehrerer Firmen zu koordinieren, kann auf drei gebräuchliche Organisationsformen zurückgegriffen werden:
 
  • Arbeitsgemeinschaft (ARGE)
  • Integriertes Projektteam (IPT)
  • Konsortium (mit einer beteiligten Firma als Hauptauftragnehmer)

Arbeitsgemeinschaft (ARGE)

Eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) ist eine temporäre Zusammenarbeit von Unternehmen oder Organisationen, die gemeinsam an einem Projekt arbeiten. Die beteiligten Unternehmen bleiben dabei rechtlich und organisatorisch eigenständig, arbeiten jedoch auf einer kooperativen Ebene zusammen. Die ARGE ist eine gebräuchliche Organisationsform, wenn es um die Koordination von Aktivitäten mehrerer Firmen in einem Projekt geht. Hierbei können unterschiedliche Unternehmen bestimmte Teilbereiche des Projekts übernehmen und auf ihre Expertise und Ressourcen zurückgreifen. Allerdings ist bei einer ARGE kein Leitunternehmen vorhanden, welches die Verantwortung für das Gesamtprojekt übernimmt. Daher kann es bei komplexen Projekten zu einer unzureichenden Koordination und schlechteren Ergebnissen kommen.

Integriertes Projektteam (IPT)

Eine bessere Alternative zum ARGE-Modell stellt das Integrierte Projektteam (IPT) dar. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von Vertretern unterschiedlicher Fachbereiche innerhalb einer Organisation oder auch zwischen verschiedenen Organisationen, die gemeinsam an einem Projekt arbeiten. Im Gegensatz zur ARGE agieren die Fachleute hier als autonome Einheit innerhalb des Unternehmens. Das IPT verfügt über eine eigene Projektorganisation, in der Entscheidungen schnell getroffen werden können, da die Vertreter der verschiedenen Fachbereiche eng zusammenarbeiten. Um ein IPT zu bilden, müssen sich die beteiligten Firmen darauf einigen, die Projektleitung und -verantwortung einem Projektmanager zu übertragen und ihm das Projektteam zu unterstellen. Das IPT kann wiederum einer ihm übergeordneten Managementfirma unterstellt werden. Diese Organisationsform bietet mehr Flexibilität und schnellere Entscheidungsprozesse als eine ARGE und ermöglicht eine bessere Integration der Fachbereiche.
Integriertes Projektteam

Konsortium

Das Konsortium gilt als die optimale Organisationsform für Projekte, die eine umfassende Koordination zwischen mehreren Unternehmen oder Organisationen erfordern. Hierbei arbeiten die Partner unter der Führung eines Hauptauftragnehmers zusammen, um das gemeinsame Projekt umzusetzen. Das Konsortium bildet dabei eine selbstständige Organisationseinheit, in der jeder Partner seine spezifischen Fähigkeiten und Ressourcen einbringt. Der Hauptauftragnehmer agiert als Bindeglied zwischen den Partnern und koordiniert die Aktivitäten des Konsortiums. Die Leitung des Konsortiums obliegt dem Konsortialausschuss, der aus Vertretern der Geschäftsführungen aller beteiligten Unternehmen besteht. Der Ausschuss bestimmt das Leitunternehmen, das für das Projekt verantwortlich ist, während die übrigen Konsorten als Unterauftragnehmer fungieren. Diese Organisationsform wird insbesondere bei größeren Projekten eingesetzt, die eine umfangreiche Koordination der beteiligten Partner erfordern.
Konsortialorganisation

Fazit

Bei der Umsetzung von Projekten ist es wichtig, eine passende Aufbauorganisation zu schaffen, um eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Team zu gewährleisten. Dabei kann der Projektmanager zwischen verschiedenen Organisationsformen wählen, um das Verhältnis zwischen Projekt- und Linienorganisation zu gestalten. Projekte können entweder in die Linienorganisation eingebunden werden oder außerhalb davon durchgeführt werden, wenn sie eine hohe Komplexität aufweisen oder eine strategische Bedeutung für das Unternehmen haben. In diesen Fällen rechtfertigt sich meist eine autonome Projektorganisation. Projektgesellschaften können als rechtlich und organisatorisch selbständige Projekte durchgeführt werden und bieten dabei Vorteile wie eine klare Trennung von anderen Geschäftsbereichen und ein höheres Maß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Es ist also entscheidend, die richtige Organisationsform für ein Projekt zu wählen, um eine erfolgreiche Umsetzung zu ermöglichen. Dabei sollten die speziellen Anforderungen und Charakteristika des Projekts berücksichtigt werden.

 Projektgesellschaften im Überblick - Ein Bild vom Autor
Autor: Dr. Roland Ottmann
Schlagworte: Projektmanagement, Projektgesellschaften, Überblick

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