Betriebsräte und agiles Arbeiten

Agile Methoden werden von einer großen Anzahl von Unternehmen angewendet oder ihre Anwendung zumindest erwägt oder vorbereitet. Die agilen Ansätze sollen das Arbeiten beschleunigen und flexibler gestalten. Eine ständige Verbesserung, Flexibilisierung und Beschleunigung ist nötig, um mit dem wachsenden Marktdruck und der Konkurrenz mithalten zu können. Schnell sollen nicht nur die Produktion, die Entwicklung von Produkten oder das Projektmanagement sein. Auch die Chefetagen müssen sich umstellen und agiler werden. Das wiederum bedeutet auch, dass Betriebsräte dieselbe Entwicklung mitmachen müssen, um weiterhin für ihre Mitglieder die besten Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Bernd Spengler und Markus Ettlinger haben sich in einer der Ausgaben von „Arbeitsrecht im Betrieb“ Gedanken zu diesem Thema gemacht, welches sich durch die einschneidenden Änderungen in den Arbeitsbedingungen, die die Covid-Pandemie mit sich gebracht hat, noch verschärft haben. Im Folgenden fassen wir den Artikel für Sie zusammen.
Das Bild zeigt eine Gruppe Menschen im Büro beim Diskutieren an einem Tisch.

Agile Methoden halten Einzug

Agile Methoden hielten zunächst Einzug in die Softwareentwicklung. Längst hat sich dieser Trend auf nahezu alle Branchen ausgeweitet, in manchen ging dies schneller, in anderen etwas langsamer voran. Agile Arbeit ist zunächst einmal die projektbezogene Teamarbeit, bei der in kleinen Gruppen Schritt für Schritt in einem Projekt vorgegangen wird. Nach jeder Etappe erfolgt eine Bewertung der Ergebnisse und die Entscheidung, ob und wie es weitergehen soll. Ein weiterer zentraler Punkt der agilen Arbeitsmethoden ist die enge Zusammenarbeit mit dem Kunden. Von Anfang an wird der Kunde in den Entwicklungsprozess so eng wie möglich mit einbezogen und an allen Arbeitsschritten beteiligt. Agiles Arbeiten bedeutet nicht nur eine Umstrukturierung im Unternehmen, eine Änderung der Hierarchien und eine Umverteilung der Verantwortung, sondern damit verbunden auch einen einschneidenden Eingriff in die Arbeitsbedingungen jedes Einzelnen. Es werden viel mehr verantwortungsvolle Stellen geschaffen und Aufgaben umgeschichtet. Oft bedeutet agiles Arbeiten auch einen Anstieg des Termindrucks, weil agile Methoden immer in kleinen schnellen Schritten angewendet werden. Daher sollte sich jeder Betriebsrat mit dem Thema befassen und sich genau anschauen, was im Unternehmen an Veränderung auf die Mitarbeitenden zukommt.

Beispiel Scrum

Wenn Sie in einer Internetsuchmaschine nach Methoden für agiles Arbeiten suchen, werden Sie schnell unter anderem auf den Begriff Scrum stoßen. Suchen Sie dann weiter nach einer Definition von Scrum, so wird oft versucht, Scrum anhand der kleinen Bausteine des dänischen Spielzeugherstellers Lego zu erklären. Scrum verfolgt tatsächlich einen ähnlichen Ansatz. Wie bei Lego auch, werden Projekte in kleinere Abschnitte und Unterprojekte unterteilt, um dann am Ende zu einem großen Kunstwerk zusammengesetzt zu werden. Grundannahme der Methode ist, dass die meisten Projekte heute so komplex geworden sind, dass es kaum noch möglich ist, sie in einem einzigen vollumfänglichen Plan abzubilden. Dazu kommt, dass ein gewisser (oft sogar hoher) Anteil der Anforderungen an das Endprodukt zu Beginn des Prozesses noch nicht bekannt ist. Hier weichen wir von der Lego-Baustein-Analogie wieder etwas ab, denn immerhin gibt es beim Lego meistens eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie das Endprodukt aussehen soll. Um beim Scrum diese Unklarheiten, die das Projekt auf seinen ersten Etappen begleiten, nach und nach zu beseitigen, bietet Scrum die Lösung, dass nach jeder Etappe ein Zwischenergebnis entsteht, welches den weiteren Verlauf des jeweiligen Projektes bestimmt.

Betriebsräte und Scrum

Viele Betriebsräte sperren sich zunächst einmal gegen die Einführung von neuen Methoden. Schon viele Kämpfe wurden ausgetragen und auch viele Siege errungen, wenn es darum ging, für die Mitarbeitenden eines Unternehmens Vorteile und menschlichere Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Nun kommen die Chefs und wollen alles auf den Kopf stellen, indem sie die Art zu arbeiten umkrempeln. Dieser Gedanke kann Angst machen. Und nicht immer ist das agile Arbeiten die Lösung aller betrieblichen Probleme und der Schlüssel zur Konkurrenzfähigkeit, auch wenn das in tausenden von Seminaren so angepriesen wird. Manchmal ist die Umstellung auf agile Methoden nicht einmal ein Schritt in die richtige Richtung. Der Betriebsrat hat also zunächst einmal Recht, wenn er die geplanten Änderungen genau unter die Lupe nehmen will, um zu sehen, was sie denn für die Arbeitsbedingungen bringen. Aber in vielen Betrieben und Branchen ist das agile Arbeiten nun einmal die Zukunft und der Betriebsrat wird auch zu dem Ergebnis kommen, dass die Veränderung der Arbeitsmethodik auf lange Sicht unausweichlich ist, damit der Betrieb überlebt und konkurrenzfähig bleibt. Selbstverständlich muss der Wandel kritisch hinterfragt und vom Betriebsrat aktiv begleitet werden. Dies kann sogar extrem förderlich für die Akzeptanz des agilen Wandels sein.

Rechtliches

Tatsächlich sieht die Rechtslage die Einbeziehung des Betriebsrates vor. Der allgemeine Informationsanspruch ist beispielsweise in Deutschland in § 80 BetrVG und in § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG verankert. Wenn Scrum in einem Unternehmen eingeführt werden soll, ist hier der Betriebsrat bereits in einem frühen Planungsstadium zu informieren, sodass gegebenenfalls von seiner Seite aus noch Einfluss auf die Entscheidung genommen werden kann. Die Einführung von agilen Methoden wie Scrum ist gleichzusetzen mit einer sogenannten „interessenausgleichspflichtigen Betriebsänderung“. In einem Betrieb, der projektbezogen arbeitet und sehr individuell auf Kundenwünsche eingehen muss, ist diese Entwicklung hin zu agilen Strukturen nur logisch und wird in der Regel von einer großen Mehrheit der Belegschaft mitgetragen, weil das agile Arbeiten in diesen Fällen einfach viel besser auf die Projektarbeit zugeschnitten ist, die Projekte erfolgreicher verlaufen und damit die Frustration sinkt und die Motivation steigt. Es ist also sinnvoll, dass der Betriebsrat von Anfang an einbezogen wird und gleich versteht, inwiefern die neue Methodik den Mitarbeitern Vorteile bringt, weil das agile Modell einfach zum Betrieb passt.

Worauf ist zu achten?

Betriebsräte müssen in diesem Prozess immer ein Augenmerk auf die Personalressourcen haben. Agile Methoden bringen den Aspekt mit sich, dass durch die unklaren Anforderungen der Personalbedarf eines Projektes erst „unterwegs“ wirklich abschätzbar wird, was die Planung erschwert. Wichtig ist also der Blick auf die Wochenarbeitszeit und die vorhandenen Ressourcen im Hinblick auf die Personalplanung in Bezug auf § 92 BetrVG. Agile Methoden müssen genauso wie traditionelle Methoden ihre Grenzen haben zum Beispiel bei 10 Stunden maximaler Arbeitszeit pro Tag. Hier ist der Betriebsrat gefragt bei der Gestaltung der neuen Modelle mitzuwirken, gerade was die Art und Weise der Erfassung und Dokumentation von Überschreitungen der verschiedenen Grenzen angeht. Die Flexibilisierung von Arbeitszeiten oder Zeitkonten können hier mögliche Lösungsansätze sein, die in anderen Branchen schon Anwendung finden.
Autorin: IAPM intern 

Schlagworte: Projektmanagement, Agiles Projektmanagement, Betriebsrat, Scrum, Agile Prozesse

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