Wann kann man ein Projekt als gescheitert betrachten?

Wann muss man sich eingestehen, dass ein Projekt keine Zukunft hat? Wann ist der richtige Zeitpunkt es abzubrechen, um die Verluste in Grenzen zu halten? Oft ist dem leitenden Manager nicht klar, dass das Projekt längst gescheitert ist. Wie erkennt man also, ob das Projekt lediglich in einer Krise steckt oder ob es am Ende ist? Sicherlich keine leichte Entscheidung! Jennifer Bridges geht in einem Artikel auf projectmanager.com dieser Frage nach. Im Folgenden fassen wir ihre Thesen und Ideen dazu für Sie zusammen.
Mann sitzt vor einem Laptop und rauft sich die Haare.

Projektabbruch: Wann ist der richtige Zeitpunkt?

Um zu entscheiden, ob ein Projekt weitergeführt werden soll, oder ob es bereits unwiderruflich gescheitert ist, sollte sich der Projektmanager auf die bisherigen Verluste konzentrieren. Nur so kann die richtige Entscheidung getroffen werden. Viele Manager sind der Idee verfallen, dass sie jedes Projekt retten können, wenn sie nur weiter genügend Geld und Ressourcen hineinstecken. Aber das ist ein Trugschluss. Es gibt einfach Projekte, bei denen auch riesige Summen nicht weiterhelfen.

Bridges weist außerdem darauf hin, dass viele Projektmanager sich so sehr an ihrem Projekt festgebissen und so viel Herzblut hineingesteckt haben, dass sie sich einfach nicht eingestehen wollen, dass das Projekt gescheitert ist. Leider geht einfach nicht jedes Projekt den Weg, den sich der Manager zu Anfang vorgestellt hat. Oft ändern sich Umstände und Bedürfnisse. Im schlimmsten Fall können Naturkatastrophen, Finanzkrisen und nationale Notstände das Projekt zum Scheitern bringen. Aber auch eine Änderung im Management, in der Technologie oder in den bereitstehenden Ressourcen, wie zum Beispiel dem Personal, können ein Projekt so sehr beeinflussen, dass es nicht mehr weitergeführt werden kann. Von manchen Einflüssen kann sich ein Projekt erholen, von anderen nicht. Der Projektmanager muss genau das erkennen: Wann muss das Projekt abgebrochen werden?

Gescheiterte Projekte erkennen

Fünf mögliche Indikatoren für gescheiterte Projekte nach Bridges:

  1. Das Projekt erfüllt die Projektanforderungen nicht mehr. Sein ursprüngliches Ziel ist hinfällig geworden oder kann nicht erreicht werden.
  2. Die Kosten geraten außer Kontrolle und es gibt keine Möglichkeit mehr, das Investierte wieder zurückzuerhalten.
  3. Die Kosten übersteigen das Budget auf erhebliche Weise und die zusätzlichen Kosten können nicht mehr aufgefangen werden.
  4. Äußere Umstände beeinflussen das Projekt so sehr, dass seine Erfüllung unmöglich wird.
  5. Es gibt rechtliche oder ethische Gründe für den Projektabbruch.

Natürlich gibt es weitere Gründe, die einen Projektabbruch rechtfertigen. Dazu zählen auch Konflikte innerhalb des Projektteams, die selbst nach hartnäckigen Lösungsversuchen bestehen bleiben. Bridges betont erneut, dass die finanziellen Verluste zunächst im Vordergrund jeder Analyse stehen sollten. Schon bei den ersten Verlusten, Budgetübersteigungen und Kostenproblemen sollte die Frage nach der Zukunft des Projektes immer im Hinterkopf des Managers erscheinen. Der Abbruch ist immer eine Möglichkeit. Jennifer Bridges warnt davor, „gutes Geld schlechtem Geld hinterher zu werfen“. Das ist eine holprige Übersetzung eines englischsprachigen Sprichworts, trifft die Situation aber recht gut. Viel Geld ist bereits verloren. Also sollten Sie sehr genau darüber nachdenken, ob Sie wirklich weitere Investitionen in eine möglicherweise bereits fruchtlose Sache pumpen möchten. Der Gedanke „Nun habe ich bereits so viel investiert, da wäre es eine Katastrophe, das Projekt zu beenden und alle diese Kosten abzuschreiben“, ist falsch und wird teuer. Wenn Sie sich nämlich jetzt nicht eingestehen, dass das Geld verloren ist und stattdessen noch mehr Geld ausgeben, führt das nur zu höheren Verlusten. Das Risiko, ein gescheitertes Projekt nicht zu erkennen, ist umso höher, je länger das Projekt dauert. Außerdem ist das Risiko, dass einer der oben genannten äußeren Einflüsse auftritt, bei lang angelegten Projekten höher als bei Projekten, die nur einige Wochen oder Monate dauern. Aber auch bei kurzen Projekten ändern verschiedene Faktoren das Projekt und führen gegebenenfalls dazu, dass es scheitert.
 

Entscheidungen treffen

Als Projektmanager kommt Ihnen die Aufgabe zu, in regelmäßigen Abständen zu prüfen, ob Ihr Projekt noch eine Zukunft hat oder nicht. Der Abbruch muss in Ihrem Kopf immer auch eine reale Option sein. Bei Projekten wie dem neuen Hauptstadtflughafen in Berlin ist der Abbruch natürlich nach vielen Jahren und einem zu 95% fertig gestellten Gebäude keine wirkliche Option mehr. Hier wurden gravierende Fehler auf einer Vielzahl von früheren Etappen gemacht. Ihr Projekt soll nicht so enden! Daher müssen Sie immer Ihre Kosten im Blick haben. Am besten prüfen Sie jede Woche, wo Sie kostenmäßig stehen. Was haben Sie ausgegeben? Was werden Sie voraussichtlich noch ausgeben? Wie gestaltet sich Ihr Fortschritt? Selbstverständlich rechtfertigt nicht jede Kostenüberschreitung einen Projektabbruch. Denken Sie an Ihre Kunden und Shareholder. Können Sie Ihnen glaubhaft versichern, dass eine Investition von zusätzlichen 10% der Projektkosten den Erfolg sicherstellt? Oder erkaufen Sie sich damit nur mehr Zeit, um zu versuchen, ein gescheitertes Projekt doch noch herumzubiegen? Seien Sie ehrlich zu sich selbst und fragen Sie gegebenenfalls auch Ihre Teammitglieder nach deren Meinung. Vielleicht ist es auch sinnvoll, im Zweifelsfall eine externe Meinung zu erbitten.
Autorin: IAPM intern

Schlagworte: Projektmanagement, Ressourcenmanagement, Sicherheit, Tipp

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