Entscheidungstechniken - wie man die richtige Wahl trifft

Ein qualifizierter Projektmanager zeichnet sich durch die Fähigkeit aus, klare Prioritäten zu setzen und fundierte Entscheidungen zu treffen. Ideal wäre es, alle Entscheidungen eines Projektmanagers auf der Grundlage umfassender Fakten zu begründen und dabei stets auf Logik und Vernunft zu vertrauen. Leider wird ein Projektmanager immer wieder mit Situationen konfrontiert, in denen das bloße Vorhandensein "harter" Fakten nicht ausreicht, um kluge Entscheidungen zu treffen.
Straßenschilder mit Richtungspfeilen in einer Wüste.

Inhalt

Intuition

Die Fülle der täglich zu treffenden Entscheidungen verlangt vom Projektmanager, auf seine Intuition, sein "Bauchgefühl" zu hören und entsprechend zu entscheiden. Intuition kann ein wichtiger Indikator für die Richtigkeit einer Entscheidung sein, denn manchmal erscheint eine Lösung einfach sympathischer als eine andere. Dennoch ist eine systematische Abwägung der Vor- und Nachteile unerlässlich, um der Verantwortung als Entscheidungsträger gerecht zu werden. Auch bei Bauchentscheidungen kann es notwendig sein, eine begründete Aussage zu treffen, die einer kritischen Überprüfung standhält.
Gerade bei wichtigen und weitreichenden Projektentscheidungen sollte man sich jedoch nicht allein auf sein Bauchgefühl verlassen. Um das Risiko einer Fehlentscheidung zu minimieren, stehen dem Projektleiter verschiedene Entscheidungstechniken zur Verfügung.
 
Beispiel aus der Welt des Projektmanagement

Ein Projektmanager hat die Wahl zwischen zwei Projektmitarbeitenden, die gleich gut qualifiziert sind. Sein „Bauchgefühl“, das sich auf eine Mischung aus Berufserfahrung und Menschenkenntnis stützt, spricht jedoch eindeutig für einen Kandidaten.

Effizient entscheiden

Täglich müssen im Projekt zahlreiche Entscheidungen getroffen werden. Einige Beispiele klassischer Projektentscheidungen:
 
  • „Sagen wir unserem Auftraggeber jetzt, dass die Kosten explodieren oder machen wir ohne zu informieren bis zum nächsten Statusmeeting weiter, wie bisher?“
  • „Stellen wir diesen Projektmitarbeiter ein oder warten wir, bis wir einen besser qualifizierten finden?“
  • „Kaufen wir das Werkzeug bei Lieferant A oder B?“ 
Durch eine systematische Entscheidungsvorbereitung wird die Wahrscheinlichkeit einer Fehlentscheidung deutlich reduziert. Der Prozess der systematischen Entscheidungsvorbereitung umfasst insgesamt acht Schritte:

1. Notwendigkeit der Entscheidung begründen
2. Alternativen beschreiben
3. Alternativen schriftlich auf je eine klare Aussage reduzieren
4. Alternativen und ihre Konsequenzen in einer Matrix gegenüberstellen
5. Konsequenzen gewichten (z. B. nach Schweregrad, Punktevergabe nach Schulnotensystem)
6. Entscheidung treffen
7. Entscheidung schriftlich begründen
8. Entscheidung dokumentieren

Weniger wichtige Entscheidungen, die keine gravierenden Folgen haben, wenn sie sich später als falsch herausstellen, eignen sich gut zum Üben.
Es ist von großer Bedeutung, die verschiedenen Alternativen schriftlich festzuhalten. Dies erleichtert den Überblick und gibt ein Gefühl der Kontrolle über das vorliegende Problem. Eine hilfreiche Methode kann die Erstellung einer zweispaltigen Tabelle sein, in der die Vor- und Nachteile in den entsprechenden Spalten aufgeführt werden.
Eine begründete und dokumentierte Entscheidung lässt darauf schließen, dass eine gründliche Recherche und eine sorgfältige Abwägung stattgefunden haben. Im Falle einer Fehlentscheidung stellt sich jedoch die Frage, wie damit umzugehen ist. Es ist bekannt, dass es nicht immer möglich ist, die richtige Entscheidung zu treffen, aber fast jede Fehlentscheidung kann korrigiert werden. Es besteht also kein Grund zur Sorge.

Informationen sammeln und Betroffene befragen

Um fundierte Entscheidungen treffen zu können, ist es für den Projektmanager oft notwendig, umfangreiche Recherchen zu Zahlen, Daten und Fakten durchzuführen und Vor- und Nachteile sorgfältig abzuwägen. Dabei können sowohl interne als auch externe Informationsquellen genutzt werden. Bei der Vorbereitung von Entscheidungen sollte jedoch immer der Aufwand gegen den zu erwartenden Nutzen abgewogen werden, da ausufernde Recherchen nicht nur viel Zeit in Anspruch nehmen, sondern oft auch mehr Verwirrung als Erkenntnis bringen. Die oben skizzierte strukturierte Vorgehensweise minimiert jedoch das Risiko, im Informationschaos zu versinken.
Probleme mit Stakeholdern wie Projektmitarbeitern, Abteilungen innerhalb der Organisation oder dem Betriebsrat kann der Projektleiter vermeiden, indem er diese Stakeholder vor der Entscheidungsfindung konsultiert. Dabei wird erfragt, wie sie von der Angelegenheit betroffen sind und welche Auswirkungen die Entscheidung für sie haben könnte. Auf diese Weise können Entscheidungen auf eine breitere Basis gestellt und mögliche Widerstände gegen bestimmte Optionen frühzeitig erkannt und ausgeräumt werden. Die Einbeziehung der Betroffenen stärkt den Entscheidungsprozess und unterstreicht die Führungsqualitäten des Projektmanagers.

Pro- und Contra-Analyse durchführen

Die Pro-Contra-Analyse ist eine Entscheidungstechnik, die dazu dient, die Vor- und Nachteile eines Vorschlags herauszuarbeiten. Die Teilnehmenden werden in zwei Gruppen aufgeteilt: Die eine Gruppe sammelt die Argumente, die für den Vorschlag sprechen, die andere die Argumente, die dagegensprechen. Die gesammelten Argumente werden dann im Plenum vorgestellt und jede Gruppe diskutiert die Argumente der anderen Gruppe. In einer gemeinsamen Diskussion wird versucht, die Argumente der Gegenseite zu entkräften. Abschließend werden alle Argumente von Personen aus beiden Gruppen bewertet.

Entscheidungsgerüst aufbauen

Der Entscheidungsprozess wird stark vom kulturellen Umfeld beeinflusst. Beispielsweise wird in einer kollektivistischen Kultur häufig ein Konsens angestrebt, während in autoritären Gesellschaften die letzte Entscheidung beim ranghöchsten Mitglied liegt, auch wenn dies im Widerspruch zum Gruppeninteresse steht. Die Aufgabe des Projektleiters ist es, das Team für die kulturelle Vielfalt im Projekt zu sensibilisieren und auf mögliche kulturelle Unterschiede vorzubereiten.
In internationalen Projekten kann gemeinsam mit dem Team ein spezifischer Entscheidungsprozess entwickelt werden, der von allen Teammitgliedern verstanden und unterstützt wird. Es ist wichtig, dass die Entscheidungsfindung für alle Teammitglieder transparent und nachvollziehbar ist. Es sollte regelmäßig überprüft werden, ob der Entscheidungsprozess aufgrund veränderter Rahmenbedingungen angepasst werden muss – die gilt nicht nur für kulturelle Unterschiede, sondern generell.
Im Idealfall kann dabei auf dem bestehenden sequentiellen Entscheidungsrahmen aufgebaut werden:
 
  • Feststellen der Ausgangslage
  • Beschaffung der notwendigen Information
  • Erarbeiten von Lösungsalternativen
  • Bewertung der Lösungsansätze und Auswahl der geeigneten Alternative
  • Mitteilung der Entscheidung
  • Umsetzung der getroffenen Entscheidung

Nicht-Entscheidungen

Auch Nicht-Entscheidungen sind Entscheidungen. Das Treffen von Entscheidungen ist oft eine unangenehme Aufgabe, da sie natürlich auch zu Fehlentscheidungen führen und damit den Erfolg eines Projektes gefährden können. Deshalb werden Entscheidungen oft hinausgezögert. Zögert ein Projektmanager jedoch zu lange, eine Entscheidung zu treffen, können die Folgen des Zögerns schwerwiegender sein als die Folgen einer Fehlentscheidung. Ein häufiges Beispiel ist die Verzögerung des Projektabbruchs, da ein Projekt, das ohnehin zum Scheitern verurteilt ist, wenn es zu lange weitergeführt wird, Ressourcen bindet und eine reine Geldverschwendung darstellt. Um das weit verbreitete Phänomen des Aufschiebens von Entscheidungen zu verstehen und im eigenen Projekt zu vermeiden, müssen zwei Fragen geklärt werden:

1. Welche Vorteile haben Personen und Gremien, wenn sie Entscheidungen verzögern oder vermeiden?

Aus der Sicht derjenigen, die Entscheidungen treffen sollten, gibt es einige Vorteile, keine Entscheidungen zu treffen:
 
  • Die Vermeidung einer ungewissen Zukunft.
  • Die Möglichkeit, sich alle Optionen offen zu halten.
  • Die Vermeidung negativer Konsequenzen.
  • Die Vermeidung der Verletzung anderer. 

2. Wie werden Entscheidungen verzögert oder vermieden?

Diejenigen, die Entscheidungen vermeiden, geben eine breite Palette von Entschuldigungen für ihr Verhalten an:
 
  • Es werden noch zusätzliche Informationen benötigt.
  • Alle verfügbaren Informationen müssen sorgfältig geprüft werden.
  • Widersprüche müssen erst aufgelöst werden.
  • In vermeintlich unklaren Situationen muss erst Sicherheit und Orientierung geschaffen werden.
Wenn Sie als Projektleiter mit Vertretern höherer Hierarchieebenen zu tun haben und erkennen, dass Entscheidungen verzögert werden, sollten Sie dies so früh wie möglich offen ansprechen und die Konsequenzen, z. B. auf Kosten, Termine, Leistung und Auswirkungen, z. B. auf andere Projekte, das Image des Unternehmens, mündlich und schriftlich deutlich machen. Entscheidungen sollten explizit eingefordert werden. Dabei muss man sensibel vorgehen, um die übergeordneten Entscheidungsträger nicht in eine unangenehme Situation zu bringen, z. B. in einer Besprechung, bei der der Kunde anwesend ist, die eigene Meinung zunächst zurückhalten. 
Ein Vier-Augen-Gespräch oder ein Telefonat ist eine gute Möglichkeit, sich vor der entscheidenden Sitzung die Unterstützung wichtiger Personen zu sichern. Machtpromotoren, z. B. ein engagiertes Vorstandsmitglied, oder Spezialisten, z. B. ein fachlich versiertes Mitglied des Projektteams, können Ihnen als Projektleiter helfen, Ihr Anliegen z. B. gegenüber dem Top-Management, dem Kunden oder dem Lieferanten gut zu vertreten. Gleichzeitig dürfen Sie sich als Projektleiter nicht verstecken, sondern müssen selbst klar Stellung beziehen, aber immer im richtigen Umfeld und in der richtigen Sprache. Es kommt darauf an, wie und wo man etwas sagt.

Fazit

Als Projektmanager können Sie die Methoden und Werkzeuge des Projektmanagements direkt oder in leicht angepasster Form nutzen, um den Entscheidungsprozess zu unterstützen und Entscheidungen herbeizuführen. Sie müssen also nicht alles aus dem Bauch heraus entscheiden oder das Projekt sehenden Auges in die Krise oder gar in die Katastrophe laufen lassen.

Entscheidungstechniken - Ein Bild vom Autor
Autor: Dr. Roland Ottmann
Schlagworte: Projektmanagement, Entscheidungstechniken

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