Gedanken des Präsidenten der IAPM zum Jahreswechsel

Gedanken des Präsidenten der IAPM zum Jahreswechsel 23.01.2020 - Die Bitte lautete: „Wir sind ein Unternehmen der Werbebranche, wir benötigen dringend ein Training im Bereich der Agilität, nicht nur Scrum, sondern vielleicht noch etwas agiler, etwa Design Thinking oder Lean Startup“.  Die erste Abstimmung mit dem Kunden ergab dann, dass das Training einen Mix dieser agilen Methoden enthalten solle. Doch was kam am Ende dabei heraus? Klassisches Projektmanagement und ein Ausflug in Scrum! Denn alleine die Kenntnis und Anwendung eines detaillierten Projektstrukturplanes, die so gar nicht vorhanden war, sowie einer darauf aufbauenden Gantt-Chart half schon gut weiter. Allerdings zeigte sich später auch, dass die Vermittlung von Scrum-Artefakten im Training und nachfolgenden Coaching hilfreich war. Hier lernten die Teilnehmer beispielsweise, dass man auch bei nicht Software-orientierten Projekten gute User Stories schreiben und den Akzent viel deutlicher auf die Kundenwünsche legen kann!

Vieles ist im Wandel in diesen Tagen, nicht zuletzt durch die Klimadebatte, sondern auch im Projektmanagement. Meist geht es um die Frage der Agilität, dem Wunsch nach mehr Schnelligkeit oder besserer Anpassungsfähigkeit an die vielen Herausforderungen im Markt. So werden in Trainings im klassischen Projektmanagement nach dem Wasserfallmodell immer häufiger Ausflüge in die Agilität angefragt, andererseits stellt sich in agilen Trainings regelmäßig heraus, dass es gar nicht um Softwareentwicklung geht, sondern um ganz andere Themen, etwa Maschinenbau, Automotive, Versicherungsfragen, Bankthemen oder Fragestellungen bei kommunalen Projekten, um nur einige Beispiele zu nennen. Meiner Beobachtung nach ist keine Branche und kein Projektvorhaben davon ausgeschlossen!

So ist ein zunehmend angefragtes Thema das „Hybride Projektmanagement“. Hier bestehen oft nur unklare Vorstellungen, was das eigentlich sein soll. Man möchte agiler werden und vor allem schneller. In den Trainings stellt sich aber dann oft heraus, dass schon einfache Grundlagen im klassischen Projektmanagement nicht oder nur wenig bekannt sind, und schon dort gute Verbesserungsmöglichkeiten bestehen. Was sich aber auch herausstellt: Hybrides Projektmanagement per se gibt es so nicht, man muss vielmehr genau herausfinden, was in jedem Einzelfall den Wunsch nach mehr Agilität oder Hybridität hervorruft. Der Mix steht also für mich irgendwo zwischen dem klassischen Projektmanagement und dem Framework Scrum, häufig auch ergänzt durch Kanban oder Design Thinking.

Ein völliger Verzicht auf klassische Elemente, eine sprunghafte Veränderung der Unternehmen zur agilen oder schwarmhafte Organisation ist in der Regel aber nicht möglich. Daher muss jeder Lösungsansatz spezifisch in Bezug auf die jeweilige Fragestellung erarbeitet werden. Gute Hinweise und Lösungsmöglichkeiten bietet hier das Weißbuch „Hybrides Projektmanagement“, das wie alle Veröffentlichungen der IAPM kostenlos zum Download bereitsteht.

Letztlich geht es aber prinzipiell um die Frage, inwieweit das Unternehmen, mithin die Linienorganisation Agilität überhaupt zulässt. Es reicht nicht aus, wenn agiler Mindset auf der Arbeitsebene trainiert wird, dann aber auf die bekannten Einschränkungen bei Abteilungsleitern oder Lenkungsausschüssen stößt. Ein wesentliches Merkmal von Agilität ist, dass Verantwortung, Selbstorganisation und Entscheidungsbefugnis auf die Teams übertragen werden. Hier hängt es also von der Unternehmenskultur ab, ob Agilität zugelassen wird. P. Laloux unterscheidet in seinem Buch „Reinventing Organizations“ verschiedene Organisationsformen von „rot“ (rein hierarchisch) bis „blaugrün“ (lebendes System, verteilte Entscheidungsbefugnisse). Die häufigste Form ist „orange“, ein Organisationstyp, der einerseits eine hierarchische Linie aufweist, andererseits aber auch Verantwortung in unterschiedlicher Ausprägung delegiert und auch bereit ist, Entscheidungsbefugnisse abzugeben. Hier gibt es die Gelegenheit für Veränderungsimpulse aus den Projekten – sowohl horizontal (auf der Arbeitsebene), wie auch vertikal nach oben in die Leitungsebene. Hier könnten eine Zielvision und Aufgabenbeschreibung für ein PM-Office sein, diesen Prozess zu begleiten, oder auch aktiv zu gestalten. So ist meine Vision, dass es eine künftige Aufgabe des Projektmanagements ist, an der Entwicklung der Organisation hin zu agileren Modellen mitzuwirken und den Transformationsprozess zu begleiten. Meine Beobachtung ist, dass diese Veränderung in vielen Unternehmen bereits stattfindet, allerdings auf sehr unterschiedliche Weise. Die IAPM steht den Projektleitern hier in allen Fragen zur Seite, wie auch schon in der Vergangenheit.

Zum Jahreswechsel möchte ich abschließend allen meinen herzlichen Dank aussprechen, die für die IAPM tätig sind und denen wir unseren Erfolg verdanken. An erster Stelle ist das IAPM-Team zu nennen, dem die IAPM ihr Erscheinungsbild im Internet verdankt. Dazu gehören die vielen Anfragen zu Zertifikaten und Themen zum Projektmanagement im Tagesgeschäft, den Fragen zur Datensicherheit und vieles anderes mehr. Eine herausragende Rolle spielt dabei unser Council of Experts. Hier wird nicht nur der Finger an den Puls des Projektmanagements gelegt, durch Forschung und Applikation in den Unternehmen gestalten unsere Experten den Wandel aktiv mit.  Mein weiterer Dank gilt ganz besonders den Ambassadors und den Network Officials, die sich weltweit um die Vertretung der IAPM kümmern, verantwortlich für Veranstaltungen der IAPM in der Region sind und als Ansprechpartner in organisatorischen Fragen zur Verfügung stehen. Schließlich gilt mein ausdrücklicher Dank auch unseren Trainingspartnerinnen und Trainingspartnern, die durch hochqualifiziertes Training weltweit dafür sorgen, dass die Zertifizierungsprüfungen in den vielen Ländern mit hervorragenden Ergebnissen absolviert werden.


Ich wünsche uns allen ein erfolgreiches, gesundes und inspirierendes Neues Jahr 2020!
Dr. Hans Stromeyer
 

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