Der negative Effekt von Preisgleitklauseln auf spendenfinanzierte Projekte

Im Zuge der Umsetzung eines Projekts ist der Abschluss von Verträgen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmern an der Tagesordnung. Da die Veränderungen des Marktes für beide Parteien mit wirtschaftlichen Risiken verbunden sind, wird im Vertragsdesign daher häufig auf Verträge mit sogenannten Preisgleitklauseln gesetzt. Werden diese Verträge jedoch nicht akribisch entworfen, verwaltet und überwacht, kann es zu einem Missbrauch der Preisanpassungsklauseln kommen. Dieser Artikel soll daher zeigen, wie gerade spendenfinanzierte Projekte von internationalen Regierungsorganisationen im asiatischen Raum und im Nahen Osten durch die dortigen kulturellen Gegebenheiten immer wieder von solch einem Missbrauch betroffen sein können.
Das Bild zeigt zwei Personen, die sich die Hände schütteln.

Inhalt

Preisgleitklauseln in Festverträgen mit wirtschaftlicher Preisanpassung

Wird im Kontext eines Projekts ein Vertrag über auszuführende Arbeiten, die Lieferung von Gütern, Beratungs- oder technischen Dienstleistungen zwischen den Parteien geschlossen, stellt ein sogenannter fester Festpreisvertrag wohl die einfachste Vertragsform dar. Hier werden die anfallenden Kosten für Arbeiten und Waren bereits im Vorfeld festgelegt: Die Möglichkeit einer späteren Anpassung der Forderungen entfällt somit gänzlich.
Gerade bei mittel- und langfristig angelegten Vereinbarungen kann es für beide Vertragspartner jedoch sinnvoll sein, sich gegen bestimmte Risikobedingungen des Marktes (bekannte Risiken) und höhere Gewalt (unbekannte Risiken) abzusichern. In diesem Fall sollte ein Festpreisvertrag mit wirtschaftlicher Preisanpassung (FPEPA) gewählt werden. Zwar wird auch bei dieser Vertragsform der Preis im voraus fixiert, kann aber abhängig von Inflation, veränderten Materialkosten oder Brennstoffpreisen mittels einer Preisgleitklausel angepasst werden. In welchem Umfang und unter welchen Bedingungen diese im Vertrag festgeschriebenen Preisgleitklauseln greifen, ist dabei durch entsprechende Spezifikationen genau zu definieren.
So können Festpreisverträge mit wirtschaftlicher Preisanpassung beispielsweise an die Inflationsraten der Regionen gebunden sein, in denen der Vertrag umgesetzt werden soll. Die Vertragssumme passt sich bei entsprechender Festlegung durch die Preisgleitklausel automatisch nach oben oder unten an, wenn sich die Inflationsrate des Umsetzungsgebiets, das heißt des Landes, der Subregion oder der Region, ändert.

Preisgleitklauseln: Sinnvoll auch für Auftraggeber?

Oftmals herrscht der Irrglaube, dass Preisgleitklauseln, wenn sie ausgelöst werden, stets zu einer Erhöhung der Vertragssumme führen. Tatsächlich kann der vorab vereinbarte Preis aber auch sinken, wenn sich die externen Umweltfaktoren, die von beiden Parteien als Grundlage für die Anpassung der Vertragssumme akzeptiert wurden, verbessern. Ob tatsächlich eine derartige Verbesserung eingetreten ist, wird anlässlich der sogenannten Zahlungsmeilensteine überprüft: An vorab durch die Vertragsparteien festgelegten Terminen wird der Wert des Vertrages auf der Basis der aktuellen Gegebenheiten des Marktes neu bewertet – und angepasst.

Wie können Preisgleitklauseln missbraucht werden?

Die Möglichkeiten zum Missbrauch von Preisgleitklauseln können leichter erkannt werden, wenn man sich zunächst einmal mit der tatsächlichen Praxis des Vertragsdesigns und -managements vertraut macht. Durch meine über zehnjährigen Erfahrung kann ich den gelebten Umgang mit Verträgen auf vier daraus resultierende Verfahrensweisen eingrenzen:
 
  1. Das RICHTIGE vertragliche Verfahren zur Deckung eines GENEHMIGTEN Bedarfs verwenden.
  2. Das RICHTIGE vertragliche Verfahren zur Deckung eines NICHT GENEHMIGTEN Bedarfs verwenden.
  3. Das FALSCHE vertragliche Verfahren zur Deckung eines GENEHMIGTEN Bedarfs verwenden.
  4. Das FALSCHE vertragliche Verfahren zur Deckung eines NICHT GENEHMIGTEN Bedarfs verwenden.
Im Folgenden soll nicht weiter auf die dargelegten Punkte 2 und 4 eingegangen werden, da diese Verfahrensweisen hauptsächlich von Vertragsspezialisten genutzt werden, um Prozesse aufzusetzen, aus denen sie einen Vorteil ziehen können. Hier spielen vor allem Interessenkonflikte, Betrug, Gier und mangelnde Integrität eine entscheidende Rolle.
Das Hauptaugenmerk liegt also auf den Punkten 1 und 3. In diesen Kontexten ist ein signifikanter Anstieg des Missbrauchs von Preisgleitklauseln durch Vertragsdesign, Umsetzung und Management bei spendenfinanzierten Projekten zu verzeichnen.
 
Finanzierung internationaler Regierungsorganisationen
 
Die meisten internationalen Regierungsorganisationen (IGOs) mit Sitz in Amerika und Westeuropa finanzieren sich überwiegend durch ihre Steuersysteme. Dagegen werden IGOs in Asien und dem Nahen Osten – insbesondere diejenigen, deren staatliche Organisation auf der Glaubensgrundlage des Islam ruht – voranging von Einzelpersonen getragen, die oftmals durch ihren Glauben motiviert zu einer erhöhten Spendenbereitschaft tendieren. So hält der Koran die Gläubigen in seinem zweiten Kapitel dazu an, „den Armen im Verborgenen zu geben“, um von ihren irdischen Sünden befreit zu werden. Zudem ist es im islamischen Glauben gängige Praxis, keine Zinsen auf geliehene Gelder zu akzeptieren, um dem Vorwurf des Wuchers und der Ausbeutung zu entgehen. Zusammengenommen führt dies zu einer erheblichen Geldmenge, die zur Realisierung verschiedener Projekte verwendet werden kann.
 
Der aufgezeigte Unterschied bei den Grundlagen der Finanzierung der internationalen Regierungsorganisationen schafft hier einen deutlich differenzierbaren Rahmen bezüglich vertraglicher Vereinbarungen und Verantwortlichkeiten. Während erstere hauptsächlich bei einer Rechnungsprüfung des Staates oder der Regierung Rechenschaft über die Verwendung der Gelder ablegen müssen, werden letztere voranging durch das Bedürfnis motiviert, ihrem Glauben gerecht zu werden. Rechenschaft wird hier nicht vor einer irdischen Instanz abgelegt. In Bezug auf Preisgleitklauseln ist dies jedoch folgenreich: Ohne staatlichen Druck ist die Wahrscheinlichkeit deutlich geringer, dass IGOs Preisanpassungen bei Vertragskosten anfechten.
 
Fallbeispiel:
 
Ein Auftragnehmer führt eigenständig notwendige Arbeiten aus, die aber nicht genehmigt wurden. Derartige Tätigkeiten sind in der Praxis meist mit zusätzlichen Kosten verbunden, die das festgelegte Projektbudget übersteigen können.
 
Aus diesem Szenario resultieren nun folgende Fragen:
 
  • Sollen IGOs die zusätzlich ausgeführten Arbeiten überhaupt nachträglich akzeptieren, obwohl diese im Vorfeld nicht genehmigt worden sind?
  • Die IGO akzeptiert die ohne Genehmigung ausgeführten Arbeiten für ein Projekt, bei dem jedoch kein Budgetüberschuss vorhanden ist. Welche vertraglichen Schritte sollten nun eingeleitet werden, um die zusätzlich entstandenen Kosten zu decken? 
  • Sollte der Auftragnehmer für die Durchführung der nicht genehmigten Arbeiten sanktioniert werden? 
  • Kann die IGO aus rechtlicher Perspektive darauf bestehen, dass die zusätzlich entstandenen Kosten für die nicht genehmigten Arbeiten vollständig vom Auftragnehmer getragen werden? 
In der Praxis sind viele IGOs dazu bereit, Regeln, Richtlinien und Verfahren bewusst zu missachten, um Zahlungen für nicht genehmigte Arbeiten leisten zu können. Doch wie sollte hier tatsächlich mit steigenden Forderungen umgegangen werden? Und wie ist ein Vertrag zu gestalten, um einer willkürlichen Anhebung der Kosten entgegenzuwirken?
 
  • Es sollte keinerlei Verantwortung für eine internationale Regierungsorganisation bestehen, für nicht genehmigte Arbeiten zu bezahlen. 
  • Preisanpassungen nach der Durchführung von nicht genehmigten Arbeiten sollten nicht gefördert werden. 
  • Bei festen Festpreisverträgen wird ein Auftrag auf der Basis einer konkreten Leistungsbeschreibung und eines spezifischen Leistungsumfangs vergeben. Hier sind Preisanpassungen nach der Auftragsvergabe bei gleichbleibender Leistung und identischem Umfang unter keinen Umständen zu akzeptieren. Warum?Würde hier einer nachträglichen Preisanpassung statt gegeben werden, würde sich im Verfahren der Auftragsvergabe für Bieter die Möglichkeit eröffnen, sich einen illegitimen Vorteil zu verschaffen, indem sie die Kosten für die angefragten Leistungen bewusst niedrig ansetzen. Sie unterbieten Mitbewerber deutlich und sichern sich so den Auftrag. Dahinter steht oftmals der Plan, durch nachträgliche Preisanpassungen das ursprüngliche Auftragsvolumen deutlich zu erhöhen. Bieter, die im Vergabeverfahren realistische Angebote auf Basis der aktuellen Marktlage abgeben, werden somit benachteiligt.
  • Jede Klausel, die besagt, dass die Kosten um X % der ursprünglichen Vertragssumme erhöht oder gesenkt werden können, ohne dass die Bedingungen unter denen diese Klausel in Kraft tritt, ausdrücklich festgelegt worden sind, sollte vermieden werden; denn hier zeigt sich das größte Potential für den Missbrauch von Preisanpassungsklauseln. Findige Auftragnehmer nutzen hier gern Scope Creep oder Gold Plating, um durch die Ausführung zusätzlicher Arbeiten auf jeden Fall die maximale noch vom Vertrag gedeckte Summe (X+X %) abrufen zu können. Während Scope Creep sich hier auf die inkrementelle Ausweitung des grundsätzlichen Projektumfangs bezieht, beschreibt Gold Plating eine qualitative Aufwertung einzelner Elemente innerhalb des Projekts, ohne dabei den Projektumfang quantitativ auszuweiten – bildlich gesprochen wird das Projekt hier regelrecht vergoldet.In jedem Fall kann sich der Auftragnehmer sicher sein, dass bei fehlender Präzisierung bezüglich der Aktivierung der Preisgleitklausel die bewusst in Kauf genommene Erhöhung der Gesamtkosten vom Auftraggeber getragen werden.

Fazit

Grundsätzlich kann die Nutzung von Preisgleitklauseln im Rahmen eines Festpreisvertrags mit wirtschaftlicher Preisanpassung empfohlen werden. Um jedoch einem Missbrauch durch findige Auftragnehmer vorzubeugen, müssen sämtliche Bedingungen, die zur Aktivierung der Klausel und damit eventuell auch zu steigenden Projektkosten führen, genau definiert und vertraglich fixiert werden. Selbiges gilt für feste Festpreisverträge: Sollte hier eine Anpassung der Vertragskosten durch geleistete Mehrarbeit, die nicht mehr durch den Pauschalvertrag gedeckt ist, notwendig werden, darf dies nur auf der Basis eines im Vertrag festgehaltenen und geregelten Prozesses geschehen.
 
Aus meiner Perspektive kann nur wie folgt verfahren werden, um ungerechtfertigte Preisanpassungen durch Auftragnehmer zu vermeiden: Internationale Regierungsorganisationen müssen aufhören, ihre eigenen Regeln, Richtlinien und Verfahren zu missachten. Auftraggeber dürfen niemals für nicht genehmigte Arbeiten bezahlt werden – auch dann nicht, wenn diese Arbeiten die Qualität des umgesetzten Projekts steigern. Gerade bei spendenfinanzierten Projekten, bei denen der Rechtfertigungsdruck gegenüber einem Staates oder einer Regierung entfällt, muss ein Umdenken angestoßen werden. Eine „neue Realität“ kann es nur geben, wenn Vertragsspezialisten die nötigen Befugnisse eingeräumt werden, Verträge zu entwerfen, umzusetzen und durchzusetzen. Dabei muss die oberste Prämisse stets lauten: Keine Bezahlung für nicht genehmigte Arbeiten – unter keinen Umständen.

Preisgleitklauseln bei spendenfinanzierten Projekten - der Autor
Autor: Dr. Nana Sackey ist ein Vertragsportfolio-Spezialist mit mehrjähriger Erfahrung in der innovativen Auftragserteilung in den Bereichen Schifffahrt, Telekommunikation, Verwaltung finanzierter Projekte und im akademischen Bereich. Er ist Certified Agile Project Manager (IAPM), hat einen M.Sc. in Procurement und einen PhD in Contract Management. Er hat in der Vergangenheit mehrere Unternehmensschulungen zu den Themen Vertragsverwaltung, Kostenschätzung, Ausgabenanalyse und Risikomanagement im Projektportfolio geleitet.
Er ist glücklich verheiratet mit Debbie, mit der er drei Kinder – Iden, Ibby und Ilse – hat.
Schlagworte: Projektmanagement, Vertragsmanagement

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